Von der Black Box zum transparenten Container

Mit intelligenter Fernüberwachung behalten Verlader ihre Container zukünftig sicher im Blick.

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Sie sind bunt und in der Regel 20 oder 40 Fuß lang, also rund sechs oder zwölf Meter. Fast 40 Millionen Container sind auf der ganzen Welt unterwegs. Sie fahren auf Schiffen, Bahnen und Lkws oder stehen auf Fabrikhöfen und Logistikzentren. Doch so farbenfroh die Stahlbehälter auch aussehen – eigentlich sind sie eine „Black Box“.

Wo ist mein Container gerade? Wann wird er ankommen? Ist die temperaturempfindliche Ware darin noch gekühlt? Das dürften nur einige der vielen Fragen sein, mit denen Reedereien, Terminals und Spediteure tagtäglich von den Verladern konfrontiert werden. Und die sie nur in den seltensten Fällen umfassend beantworten, weil die nötigen Informationen einfach nicht zur Verfügung stehen

Bislang war ein „Nummernschild“ die einzige Identifikationsmöglichkeit

Seit Erfindung des Containers im Jahr 1956 trägt jede einzelne Box gut sichtbar ein individuelles „Nummernschild“, das es weltweit jeweils nur einmal gibt: Es besteht zunächst aus vier Großbuchstaben, dem sogenannten Präfix, der für den Eigentümer steht. Die deutsche Containerreederei Hapag-Lloyd hat zum Beispiel das Präfix HLXU. Es folgen eine sechsstellige Seriennummer und eine Kontrollnummer.

Anhand dieser Containernummer kann jede Box überall auf der Welt identifiziert und damit beispielsweise die Position auf einem Schiff oder in einem Hafen bestimmt werden. Und das war es auch schon!

Zwar kann diese Nummer statisch erfasst werden, zum Beispiel beim Check-in auf dem Terminal. Auskunft über den aktuellen Standort irgendwo auf den Weltmeeren oder die Temperatur der wertvollen Rinderhüften aus Südamerika kann sie nicht geben. Ein Zustand, mit dem sich alle Beteiligten der Transportkette jahrzehntelang notgedrungen zufriedengeben mussten. 

Das HHLA Frucht- und Kühl-Zentrum in Hamburg schlägt besonders viele Kühlcontainer um. Foto: HHLA / Thies Rätzke

Doch jetzt kommt Bewegung in das Thema. GPS-Ortung in Echtzeit und Informationen zur Temperatur im Inneren der Box – das sind nur einige der Funktionen, die Hapag-Lloyd derzeit seinen Kunden mit der Einführung seiner Fernüberwachungstechnologie für Kühlcontainer (Reefer) unter dem Namen „Hapag-Lloyd LIVE“ anbietet.

„Insbesondere bei temperaturgeführten Gütern wie Bananen können solche Funktionen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringen“, sagt Axel Hoeckrich, Geschäftsführer des HHLA Frucht- und Kühl-Zentrums. Dort werden zahlreiche Hapag-Lloyd-Kühlcontainer umgeschlagen, deren Ladung besonders sensibel ist. Von Beginn des Jahres 2023 soll jede der über 100.000 Reeferboxen mit den entsprechenden Überwachungs- und Übertragungsgeräten ausgestattet sein. „Kunden erwarten zuverlässige Lieferketten. Dafür muss sich die Branche verändern und investieren“, sagt Sarah Schlüter, Senior Director für Nischenprodukte bei Hapag-Lloyd. „Wir haben unsere Kunden übrigens von Beginn an dazu aufgefordert, unser Echtzeit-Überwachungstool von Anfang an mitzugestalten. So erhalten sie Produkte, die genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind.“

Zum Einsatz kommen Technologien aus dem „Internet der Dinge“, die entweder im Kühlaggregat oder im Container selbst verbaut werden. Eine Vielzahl von Sensoren nimmt unterschiedlichste Daten auf, die über eine Mobilfunk Antenne auf das Dashboard der Reedereianwendung, den Hapag-Lloyd „Navigator“ übertragen werden und dann den Kunden sichtbar gemacht werden können.

Entwickelt wurde das System von Globe Tracker aus Dänemark. Das Unternehmen hat sich auf Supply Chain Tracking, Monitoring und Sensortechnologie spezialisiert. Mit an Bord sind zudem T-Mobile Austria als Teil der Deutschen Telekom-Gruppe und das Systemhaus Ericsson.

100.000 

Reeferboxen will Hapag-Lloyd von Beginn des Jahres 2023 mit Überwachungs- und Übertragungsgeräten ausgestattet haben

Informationen gegen Preisaufschlag

 „Die realen, ungefilterten Daten werden in der Regel stündlich erhoben und übertragen“, erläutert Olaf Habert, Director Container Applications bei Hapag-Lloyd. „Auch wenn wir das System zunächst vorrangig in der Reeferflotte einführen, können wir es auf Anfrage auch Dry Container-Kunden zur Verfügung stellen“, kündigt er an. In absehbarer Zukunft soll es möglich sein, dass für jeden Containertransport von Hapag-Lloyd die LIVE-Features hinzugebucht werden können. Kostenpunkt: Ein Aufschlag von zurzeit 50 USD für das Basisprodukt.

Mit diesem Service steht die weltweit fünftgrößte Reederei jedoch nicht allein da. Auch die Wettbewerber MSC, CMA CGM und Maersk haben ähnliche Lösungen für ihre Kunden auf den Markt gebracht. Sie setzen dabei allerdings nicht auf Eigenentwicklungen, sondern nutzen Anwendungen des französischen Dienstleisters Traxens, der die Boxen der Reeder mit seinem Equipment ausstattet und auch für die Datenerhebung und -übertragung sorgt.

Auch für die Containerterminals der HHLA hat diese technologische Entwicklung viele Vorteile. So würden die Stahlboxen nicht mehr getrennt von den sie begleitenden Daten reisen, hofft Sönke Witt, Leiter Geschäftspartnerkommunikation bei der HHLA. „Wir könnten unsere Checkprozesse vereinfachen, wenn jeder Container seine individuellen Daten sendet. Damit wären die Boxen nicht nur schnell und eindeutig zu identifizieren, sondern wir könnten auch den Umgang mit Gefahrgut und sensiblen Waren besser organisieren.“ Der Datenspezialist könnte sich auch vorstellen, dass eine Warnung gesendet wird, falls Container – eventuell unbefugt – geöffnet werden.

 

„Die Vision ist faszinierend“

Bisher ist der Aufwand für die Ausrüstung mit Sendern bei „normalen“ Boxen noch zu hoch. Aber nicht nur deshalb verzichten noch viele Reeder bewusst darauf, alle ihre Container „intelligent“ zu machen. Den pragmatischen Grund, kennt Professor Carlos Jahn, Leiter des Instituts für Maritime Logistik an der Technischen Universität Hamburg (TUHH): „Da kommt ein Schiff mit 20.000 Containern, die alle paar Sekunden Informationen senden. Und es ist nicht nur ein Schiff, sondern ganz viele Schiffe. Die Informationsflut ist immens!“

Wie sieht die Logistikwelt übermorgen aus?

Prof. Carlos Jahn analysiert, was die globalen Lieferketten verändert. Nicht unbedingt große Erfindungen, sondern verschiedene technologische Trends werden zu mehr Synchronizität, zu intelligenteren Entscheidungen und umweltfreundlicheren Transporten führen.

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Prof. Jahn ist jedoch Optimist und davon überzeugt, dass uns in Zukunft eine synchronisierte Datenwelt erwartet, „weil die Geräte günstiger und zuverlässiger werden und wir mit immer mehr Informationen umgehen können. Von daher ist die Vision faszinierend. Bis sie allerdings eintritt, ist es noch ein ganz schön langer Weg.“

Der erste Schritt ist gemacht, und er kommt genau zur richtigen Zeit. Jede Statusmeldung eines Containers während seiner Reise irgendwo auf der Welt ist eine wertvolle Information, die bei der Koordination, der Vorhersagbarkeit und damit der Sicherstellung der – zuletzt häufig gestörten – Transportkette hilft.

Ob die Daten nun von LIVE oder von Traxens kommen: Mit der neuen Technologie verliert der Container zunehmend seinen ungeliebten Status als „Black Box“ – und wird endlich transparent.

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