Was kann Wasserstoff wirklich?

Die HHLA will herausfinden, ob der vielseitige Energieträger Wasserstoff ein Schlüssel zur Energiewende sein kann.

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Grüner Wasserstoff ist als vielseitig einsetzbarer Energie­träger ein echter Alles­könner für die Zukunft. Erzeugt wird er durch Elektrolyse von Wasser mit Strom aus erneuerbaren Energien, üblicherweise Wind- oder Sonnenkraft. Bei der energetischen Nutzung kann er elektrochemisch in Brenn­stoff­zellen zu Strom gewandelt werden. Er lässt sich in Motoren verbrennen oder dient als Grundlage für verschiedene flüssige Treibstoffe – die begehrten E-Fuels. Das Element soll in den vielen Transformations­prozessen der Energie­wende eine Schlüssel­rolle spielen.

Für die HHLA ist grüner Wasserstoff ebenfalls sehr wichtig. Einerseits setzt das Unternehmen bei seiner Entwicklung zu einem klimaneutralen Betrieb selbst auf den Energieträger. Zudem haben der Hamburger Hafen und weitere Standorte der HHLA großes Potenzial als Drehscheiben für die künftige Wasser­stoff­logistik.

Die entsprechende Entwicklung von Technologie und Infra­struktur fördert das Logistik­unternehmen konsequent. Schon 2020 wurde das HHLA Hydrogen Network gestartet. Es bildet den Rahmen für alle Wasser­stoff­aktivitäten der HHLA. 2022 folgte das Clean Port & Logistics Innovation Cluster (CPL). Gemeinsam mit internationalen Firmen aus verschiedenen Sektoren von der Container­logistik bis zur Fahrzeug­industrie werden hier unter Federführung der HHLA verschiedene Aspekte der Nutzung von Wasserstoff erforscht und erprobt.

Janne Oeverdiek, Manager Clean Port & Logistics Innovation Cluster

„Das Ziel unserer Arbeit ist es, die Marktreife der Wasserstofftechnologie durch direktes Anwenden im Realbetrieb zu beschleunigen.“

Janne Oeverdiek, Manager Clean Port & Logistics Innovation Cluster

Janne Oeverdiek ist Manager des Innovations­clusters. Er sagt: „Mittlerweile arbeiten wir mit mehr als 40 Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen zusammen. Dazu gehören Geräte­hersteller, Logistik­unternehmen, wissenschaftliche Partner, Produzenten von erneuerbarem Wasserstoff, Software­firmen und auch Hersteller von Tankstellen. Unser Ziel ist die nachhaltige Förderung der Wasser­stoff­technologie, indem wir ihre Marktreife durch die realistische Erprobung im Betrieb beschleunigen.“ Von dem Ansatz profitieren alle beteiligten Unternehmen und Organisationen. Die Praxisdaten liefern ihnen wichtige Entscheidungshilfen für die Dekarbonisierung der eigenen Prozesse, und sie können die Alltagstauglichkeit ihrer Produkte und Infrastruktur­lösungen in dem Leucht­turm­projekt der HHLA überprüfen.

Neue Vielfalt der Energieversorgung

Dass sich am Innovations­cluster zahlreiche Partner mit so vielen verschiedenen Lösungen beteiligen, spiegelt die neue Realität der Energietechnik. Denn Wasser­stoff­technologie wird künftig nur eine von mehreren Anwendungen zur kohlen­stoff­dioxid­neutralen Energie­technik sein.

„Überall da, wo man sinnvoll elektrifizieren kann, sollte man das auch tun. Es gibt aber zahlreiche Sektoren, in denen diese Elektrifizierung nicht so einfach möglich ist – hier spielen wasser­stoff­basierte Lösungen ihre Stärken aus“, sagt Monja Grote. Sie ist Projekt­leiterin im HHLA Hydrogen Network. Als ein Beispiel aus dem Bereich der Hafen­logistik nennt sie Großgeräte für die Container­logistik wie Van-Carrier. Diese hochbeinigen Container­transporter haben schon länger elektrische Fahr- und Hubmotoren. Den Strom dafür liefern bisher mit einem Generator gekoppelte Diesel­motoren, sogenannte Gensets. Künftig soll eine Brenn­stoff­zelle Wasserstoff elektrochemisch in Strom wandeln und damit die Motoren antreiben. Außerdem wird die neue Generation von Van-Carriern Batterien an Bord haben, um durch Rekuperation gewonnene elektrische Energie zu speichern. Diese fällt zum Beispiel beim Bremsen an, oder wenn Container abgelassen werden.

Blick in die Zukunft

„Wasserstoff wird in den Häfen und allgemein in der Logistik wichtiger werden“, sagt auch Dr. Georg Böttner. Er verantwortet im Konzern das Thema Wasser­stoff. Als Vorteile des Energie­trägers nennt er emissions­freien elektrischen Betrieb, schnelle Betankungs­vorgänge und längere Betriebs­zeiten. „Außerdem profitieren Mitarbeitende auch von elektrisch angetriebenen Geräten, die über Brennstoffzellen mit Strom versorgt werden. Sie produzieren deutlich weniger Lärm, Erschütterungen und Abgase, als solche mit einem Verbrennungs­motor“.

Wie das konkret aussehen könnte, wird ab 2023 auf dem Container Terminal Tollerort (CTT) sichtbar. Hier nimmt die HHLA in diesem Jahr gemeinsam mit Linde eine Wasser­stoff­tank­stelle in Betrieb, an der Fahrzeuge mit auf 350 bar komprimiertem Wasser­stoff­gas versorgt werden. Die Tankstelle gehört zu einem Testfeld des Clean Port & Logistics Innovation Cluster. Es ist eine Maßnahme des Cluster-Testbetriebs, der für die Jahre 2023 bis 2025 vorgesehen ist.

Wenn an der Anlage mit den markanten Drucks­peichern in den kommenden Jahren einer der beschriebenen Van-Carrier andockt, wird wie in einer normalen Tankstelle die Verbindung zwischen Versorgungs­station und Fahrzeug hergestellt. Dann strömt das mit erneuerbaren Energien gewonnene Gas in die Tanks des riesigen Fahrzeugs. Nach wenigen Minuten ist der Tankvorgang abgeschlossen, der Carrier nimmt die Arbeit wieder auf und die Tankstelle ist frei für das nächste Fahrzeug. Dazu können autonom fahrende Transporter ebenso gehören wie Fernverkehrslastwagen mit Benn­stoff­zelle oder Wasser­stoff­motor. „Wir sprechen mit verschiedenen Geräte­herstellern, die ihre Prototypen auf dem Testfeld erproben möchten“, erklärt CPL-Manager Janne Oeverdiek, „das Cluster wird dann die Tests vorbereiten und auswerten.“

Wasserstoff-Tankstelle: In schweren Transport- und Umschlaggeräten kann grüner Wasserstoff auch als Treibstoff für Verbrennungsmotoren verwendet werden. Das reduziert die Emissionen gegenüber fossilen Energieträgern wie Dieselöl oder Erdgas erheblich.

Wäre es nicht einfacher, fossile Treibstoffe durch flüssige E-Fuels zu ersetzen, die emissionsfrei gewonnen werden? Dann könnten bestehende Tank­infra­strukturen weiter genutzt werden, aber es gibt ein Problem. Der aufwändig ebenfalls aus Wasserstoff gewonnenen Treibstoff wird nicht ausreichend und nicht zu konkurrenzfähigen Preisen zur Verfügung stehen. Deshalb braucht der Wandel in der Energie­versorgung verschiedene alternative Strategien – die Nutzung von Wasserstoff ist eine davon.

Zukunftschance Wasserstoff

Die HHLA will im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie bis 2040 klimaneutral werden. Wasserstoff leistet dazu als Energieträger einen wesentlichen Beitrag. Wir stellen die HHLA-Projekte dazu vor.

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„Viele Akteure setzen große Hoffnungen in Wasserstoff, wenn es um die Emissions­freiheit ganzer Geschäfts­felder geht“, sagt Oeverdiek. Für die HHLA ist grüner Wasserstoff nicht nur Energieträger, sondern auch eine zukunfts­trächige Handelsware. Und diese Ware wird zu einem Großteil importiert werden. „Schätzungsweise 60 Prozent des in Deutschland benötigten Wasserstoffs müssen eingeführt und im Hinterland verteilt werden“, erläutert Monja Grote. Deshalb befasse sich das Unternehmen auch mit dem Import, Umschlag und Transport des umweltfreundlichen Gases. „Dabei können wir auf unser bestehendes intermodales Netzwerk sowie unsere Stärken als Logistik­unternehmen zurückgreifen“, sagt die Expertin.

Begehrter Energieträger

Für das Jahr 2045 schätzte der deutsche Nationale Wasser­stoff­rat bereits den Bedarf an grünem Wasser­stoff auf die gigantische Menge von 600 bis 800 Tera­watt­stunden für die Bundesrepublik. Die Nachfrage kommt unter anderem aus verschiedenen Industrie­branchen, aus dem Mobilitäts­sektor und aus der Heiz­energie­versorgung. Für die Kunden ist auch die Entkopplung zwischen Erzeugung und Nutzung wichtig. Das ist klarer Vorteil von Wasser­stoff gegenüber der direkten Nutzung von Sonnen- und Windstrom.

Monja Grote, Projektmanagerin HHLA Hydrogen Network

„Ohne den Import von grünem Wasserstoff wird Deutschland seinen Energiebedarf in Zukunft nicht decken können.“

Monja Grote, Projektmanagerin HHLA Hydrogen Network

So lange es nämlich keine effizienten Groß­speicher gibt, muss der allergrößte Teil der elektrischen Energie umgehend genutzt werden. Wasserstoff hingegen lässt sich als Gas zum Beispiel in vielen unter­irdischen Erd­gas­speichern zwischen­lagern und tiefgekühlt oder chemisch gebunden mit Schiffen und Tank­containern transportieren. „So kann er als vorübergehender Energie­speicher dienen und dabei helfen, Energie verlustarm auch über lange Strecken hinweg zu transportieren“, sagt Monja Grote.

Klarer Fahrplan

Wird die Anwendung von grünem Wasserstoff sich großflächig durchsetzen oder bleibt die Technologie eher auf bestimmte Anwendungen beschränkt? Dieser Frage stellen sich die HHLA und ihre Partner im Clean Port Logistics Innovation Cluster. Sie haben einen straffen Fahrplan für das 2022 gestartete Projekt aufgestellt. Die Ergebnisse aus dem derzeit laufenden Testbetrieb (siehe Grafik) sollen bereits im übernächsten Jahr ausgewertet und in Betriebs­konzepte für verschiedene Standorte überführt werden.



Enger Austausch zwischen den Partnern

Das Innovations­cluster ist bewusst sehr breit aufgestellt. Neben Unternehmen aus der Container- und Hafenlogistik sind Hersteller von Fahrzeugen und Umschlagtechnik, Wasser­stoff­produzenten, Hoch­schulen und Forschungs­institutionen sowie Kommunen dabei. Die Partner kommen aus ganz Europa, Asien sowie aus Süd- und Nordamerika. Ein großer Vorteil der Zusammen­arbeit im Innovations­cluster sei, dass Erfahrungen und Ergebnisse direkt und persönlich zwischen den Kooperations­partnern aus­ge­tauscht werden, erklärt Janne Oeverdiek. Vielfältig seien die Frage­stellungen, mit denen man sich im Cluster beschäftigt: „2023 untersuchen wir zum Beispiel, wie emissionsfrei arbeitende Logistik­standorte mit Energie versorgt werden können und welche Lösungen sich am ehesten zur Dekarbonisierung eignen.“

Gerade was die Forschung angeht, ist Deutschland in der Wasser­stoff­wirtschaft weit vorne. Mehr als zehn Prozent der einschlägigen Patente weltweit sind deutsch, knapp ein Drittel stammen aus der gesamten Europäischen Union. Und wenn die Zukunft des Wasserstoffs in den nächsten Jahren klarer abzusehen ist, dann werden auch Hamburg und die HHLA an der vordersten Technologie­front zu finden sein.


Agiler Austausch auf Augenhöhe

Im Clean Port & Logistics Innovation Cluster (CPL) arbeitet die HHLA unter anderem mit Geräte­herstellern, Unternehmen der Hafen- und Container­logistik sowie mit wissenschaftlichen Partnern, Produzenten von erneuerbarem Wasserstoff oder Software­unternehmen zusammen. Dies sind einige davon:

Die Hyster-Yale Gruppe ist ein weltweit tätiger Hersteller von Container­staplern, Gabelstaplern und Lager­technik­geräten. Die Gruppe entwickelt batterie- und brenn­stoff­zellen­elektrisch betriebene Hafen­ausrüstungen. Dazu gehören Leer­container­stapler, Reachstacker, Lade­container­stapler und Terminalschlepper. Nuvera Fuel Cells, eine Tochter­gesellschaft der Hyster-Yale Gruppe, bietet Brenn­stoff­zellen­motoren an. Diese integrierten Systeme aus Brenn­stoff­zelle und Elektro­motor können in Hafen­ausrüstungen und anderen schweren Fahrzeugen wie Bussen eingesetzt werden.

Everfuel macht grünen Wasserstoff für eine emissionsfreie Mobilität und Industrie in ganz Europa kommerziell verfügbar. Das dänische Unternehmen bietet wettbewerbs­fähige Komplett­lösungen für die Wasser­stoff­versorgung und ‑betankungs­infra­struktur an. Everfuel ist besitzt und betreibt eine eigene Infrastruktur rund um grünen Wasserstoff. Dazu gehören unter anderem Produktions­anlagen, H2-Trailer für die Distribution sowie H2-Tankstellen.

Die Technische Universität Hamburg forscht im Bereich der zukunfts­fähigen Energie­systeme und beschäftigt sich unter anderem mit der technisch-ökonomischen Bewertung von Wasser­stoff­bereitstellungs­ketten und Wasser­stoff­anwendungen sowie der Modellierung und Analyse von Power-to-Liquid-Prozessen.

Contargo ist ein international tätiger Logistik-Dienstleister, der Transporte zwischen den Seehäfen und dem europäischen Hinterland im trimodalen Verkehr mit allen zugehörigen Zusatz­dienst­leistungen durchführt. Darüber hinaus prüft Contargo den Einsatz von Wasser­stoff in Binnen­schiffen, Trucks, Schienen- und Terminal­fahrzeugen.

Der Hafen von Los Angeles ist einer der verkehrsreichsten Seehäfen der Welt. Es wird beabsichtigt, Wasserstoff im Gütertransport (Schiffe, Lastwagen, Züge, Frachtumschlagsgeräte und Hafenfahrzeuge) einzusetzen, zunächst jedoch in Schwerlastfahrzeugen und Frachtumschlagsgeräten.

Veröffentlicht am 22.8.2023