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Schon vor dem Tag, als russische Truppen in die Ukraine vordrangen, hatte Anna Bolliger-Fussner nervös die beunruhigenden Nachrichten über die zunehmende Kriegsgefahr. Bolliger-Fussner stammt aus Polen und hat viele ukrainische und russische Freunde.
Als am 24.Februar 2022 Russland in die Ukraine einmarschierte, weinte Bolliger-Fussner. Die Tränen waren ein Ventil für die Wut, die sich in ihr angestaut hatte. Aber sie fand schnell eine viel bessere Verwendung für ihre Energie.
Bei der HHLA, wo sie seit 2012 als Personalreferentin arbeitet, hatten sich sofort nach dem Überfall Russlands vor allem über das Intranet Hilfsinitiativen für die vom Krieg betroffenen Menschen gebildet. Die HHLA hat eine besondere Beziehung zur Ukraine. Seit 2005 betreibt das Unternehmen im Hafen von Odessa eine Terminalanlage. 480 Beschäftigte sind dort tätig, die angesichts der Aggression vor einer ungewissen Zukunft standen. „Gemeinsam für die Kollegen aus Odessa“, unter diesem Motto starteten die HHLA-Beschäftigten in Hamburg daraufhin eine Spendenaktion.
Jeder Mitarbeitende konnte unbürokratisch per Mail an die Personalabteilung seine Spende einreichen, die dann vom Gehalt abgezogen wurde. Fast 65.000 Euro kamen schnell zusammen. Auf Initiative des Vorstands wurde ferner ein Hilfsfonds in Höhe von einer Million Euro eingerichtet.
Durch den Krieg in der Ukraine geraten immer mehr Menschen unverschuldet in Not. Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) richtet daher einen Hilfsfonds über eine Million Euro ein.
Aber allein bei Geldzuwendungen wollten es die HHLA-Mitarbeitenden nicht belassen. Die Bilder von Menschen, die mit wenig Gepäck aus dem Kriegsgebiet in Richtung Westen flohen, berührten sie. Und als sich abzeichnete, dass sich auch Beschäftigte und deren Angehörige in Odessa auf den Weg machen wollten, wurden sie aktiv. Auch Bolliger-Fussner. Aufgrund ihrer Sprachkenntnisse – sie spricht fließend polnisch, deutsch, englisch und russisch – wurde sie schnell zu einem wichtigen Teil des HHLA-Krisenstabes „Hilfe für Odessa“.
„Das war ein tolles Team. Wir haben wirklich viel gearbeitet, einige von uns haben sogar ihren Urlaub eingebracht“, erzählt sie. „Der Sinn der Aktion und das spürbare Engagement des Teams hat uns gegenseitig motiviert. Vieles war ungewiss und nur eins klar: Wir helfen.“
Bolliger-Fussner übernahm im Krisenstab die Leitung des Teams Hamburg. Ihre vorrangigste Aufgabe war es, Unterkünfte für die Geflüchteten zu organisieren sowie weitere Helfer und Dolmetscher aufzutreiben. Andere Team-Mitglieder planten die Busreisen von Rumänien aus, wo die Geflüchteten auf die Weiterfahrt nach Deutschland warteten. „Viele aus dem HHLA-Konzern haben ihre Hilfe als GastgeberInnen und HelferInnen angeboten“, erzählt Bolliger-Fussner.
Etwa 180 Freiwillige, darunter 30 russischsprachige KollegInnen, engagierten sich für diese Aktion. Als am 9. März die ersten Busse ankamen und vor dem HHLA-Hauptquartier am St. Annen-Platz ihre Türen öffneten, war das ein besonderer Moment. „Den Menschen nach der langen Flucht die Hand zu geben: Wir sind hier für euch da, das war einfach menschlich“, erinnert sich Bolliger Fussner.
Mittlerweile wurden 53 Familien (Stand Mitte April) aus der Region Odessa über Rumänien nach Hamburg gebracht. 170 Personen kamen vorübergehend in Gastfamilien und in Hotels unter. Mehr als 100 Menschen werden in einem Hotel im rumänischen Constantia versorgt.
Trotz der zusätzlichen Arbeit war das Engagement für die Helfer erfüllend: „Eine richtige Herzlichkeit ist entstanden zwischen Kollegen, die man ja oft gar nicht so gut kennt“, sagt Bolliger-Fussner. Der Vorstand habe schnell sehr viel ermöglicht. „Es ist ein gutes Gefühl, Teil dieser solidarischen Gemeinschaft zu sein!“
Veröffentlicht am 5. Mai 2022