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Interview mit Rainer Schluff, technischer Geschäftsführer von HHLA Immobilien, über die Entwicklung der Speicherstadt, die in Verbindung mit dem Kontorhausviertel Hamburgs einziges Weltkulturerbe ist.
Schluff: Natürlich sehe auch ich die historischen Lagerhäuser und Kontorgebäude, den roten Backstein, die Vor- und Rücksprüngen, Friesen, Gesimse und Erkerausbildungen. Das ist aber nur die Fassade – zugegeben, eine sehr schöne Fassade. Das Äußere täuscht aber über die wahre Modernität der Speicherstadt hinweg: Es gibt kaum einen Ort in Hamburg, der solch eine ökonomische Wandlungsfähigkeit zulässt wie das Backstein-Ensemble zwischen Baumwall und Deichtor.
Schluff: Die Speicherstadt ist kein Museum. Sie ist ein lebendiges Weltkulturerbe. Hinter den historischen Fassaden wird gearbeitet, es gibt Kultur, Unterhaltung, Restaurants, Cafes und, ja, auch Museen. Hier zieht es Hamburger genauso her, wie Besucher aus aller Welt.
Schluff: Richtig. Der Stadtteil ist sehr wichtig für die lokale Identität. Und das dürfen wir als HHLA auch nie vergessen. Wir haben eine Verpflichtung, dieses Erbe zu erhalten. Das heißt aber nicht, dass wir es einfrieren. Wir entwickeln es behutsam und nachhaltig weiter, ohne den ursprünglichen Charakter zu verändern.
Schluff: HHLA Immobilen folgt einem klaren Entwicklungskonzept für die Speicherstadt, das in enger Abstimmung mit der Freien und Hansestadt Hamburg erarbeitet wurde. Natürlich müssen wir hierbei auch wirtschaftlich handeln, es geht aber nicht um Gewinnmaximierung. Eine monotone Mieterschaft wie teilweise in anderen alten Hafengebieten, die umgenutzt wurden, wollen wir vermeiden. Es geht vielmehr um einen attraktiven, vielschichtigen Mietermix.
In der Speicherstadt hat sich eine moderne Arbeitswelt ausgebreitet, in der die Kreativen den Ton angeben.
Schluff: In der Speicherstadt hat sich eine moderne Arbeitswelt ausgebreitet, in der die Kreativen den Ton angeben. Es gibt beispielsweise einen Kreativspeicher. Hier stehen Atelierflächen, Werkstätten und Ausstellungsräume für Hamburger Kultur- und Kreativschaffende zur Verfügung. Zahlreiche große Werbeagenturen haben hier im Speicherstadt-Quartier ein neues Zuhause gefunden. Nicht zu vergessen die sehr aktive Start-up-Szene, vom Drohnenentwickler bis zum Virtual Reality Nerd. Hier tüfteln Tech-Pioniere an den Innovationen der Zukunft.
Schluff: Ja, so kann man das sagen. Und trotzdem gibt es sie noch, die alten Traditionsunternehmen. Unser ältester Mieter, das Teehandelshaus Hälssen & Lyon, arbeitet seit 1887 in der Speicherstadt und hat sich dem Wandel gut angepasst.
Schluff: Das Arbeitsfeld ist sehr vielschichtig. Wir bewegen uns täglich in einem Spannungsfeld zwischen Welterbe und Stadtentwicklung, zwischen historischem Baudenkmal und zeitgemäßer Mieternutzung, zwischen Tradition und Moderne. All diesen unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden, ist eine spannende, aber keine leichte Aufgabe. Deshalb verstehen wir uns auch nicht als Immobilienverwalter. Das würde bedeuten, Bestehendes einfach zu konservieren. Wir sind Quartiersmanager und Immobilienentwickler, die aktiv den Strukturwandel in der Speicherstadt gestalten.
Schluff: Das hat ganz praktische Gründe. Der Hamburger Hafen hat seit den siebziger Jahren einen weitreichenden Strukturwandel erlebt und sich dabei in Richtung Westen verlagert. Mit der Etablierung des Containers als standardisiertem Transportgut und dem Bau großer Containerterminals ist der klassische Stückgutumschlag nahezu vollständig verschwunden. Die Speicherstadt wurde gebaut, um dieses Stückgut – Säcke, Kisten, Ballen, Fässer – aus Schuten, die zu hunderten in den Fleeten lagen, direkt in die Böden der Speicherstadt einzulagern. Der Container hat die alten Speicher als Lagerfläche abgelöst. Die Speicherstadt hat damit ihren ursprünglichen Zweck verloren. Ein neues Nutzungskonzept musste her. Diese Entwicklung ist aber keine Hamburger Besonderheit. In vielen europäischen Hafenstädten ist eine Umnutzung ehemaliger Hafenquartiere zu beobachten, wie zum Beispiel in den Londoner Docklands oder im östlichen Hafengebiet von Amsterdam.
Schluff: Ja, das Miniatur Wunderland lässt seit gut 20 Jahren im Speicher D seine Züge fahren. Aufgrund der großen Beliebtheit haben die Betreiber ihre Wunderland-Welten immer weiter ausgebaut und immer neue Flächen hinzugemietet. Aber auch das reicht nun nicht mehr aus. Deshalb sanieren wir derzeit den Speicher L auf der anderen Seite des Kehrwiederfleets. Das Miniatur Wunderland erhält damit 3.500 Quadratmeter Erweiterungsfläche. Als besondere Attraktion bauen wir eine filigrane, fast gläsern wirkende Fußgängerbrücke über das Fleet, damit Besucher direkt und witterungsunabhängig zwischen den Wunderland-Welten hin und her gehen können. Dabei soll auch eine Eisenbahntrasse über die neue Fleetbrücke gelegt werden.
Schluff: Schon bei der Aufnahme der Speicherstadt in die UNESCO-Liste der Weltkulturerbe 2015 war die neue Brückenkonstruktion Teil der Bewerbungsunterlagen. Die Speicherstadt hat den Welterbe-Titel also mit der neuen Brücke erhalten. Das neue Verbindungselement im baulichen Ensemble der Speicherstadt entspricht mit seinem filigranen Design und der reduzierten Architektursprache dabei den Anforderungen des Denkmalschutzes.
Schluff: Ja, die Brücke steht auch für die Entwicklung der Hamburger Hafen und Logistik AG. Die Speicherstadt ist die Wiege der HHLA. Das Unternehmen wurde 1885 als Hamburger Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft gegründet, um die Speicherstadt zu realisieren. Die Speicherstadt ist also sozusagen in unserer DNA. Aus diesem Ursprung heraus hat sich die HHLA zu einem der führenden europäischen Hafen- und Logistikkonzerne entwickelt. Immobilien-Management und -Entwicklung sind also nur ein Teil unseres Geschäfts. Wir betreiben Hafenterminals in Hamburg, Tallinn und Odessa, wo Waren aus aller Herren Länder umgeschlagen werden. Wir haben ein eigenes Bahnunternehmen. Jede Woche haben wir über 500 Zugabfahrten, um in ganz Europa Container zur verteilen, die zuvor in den Seehäfen angekommen sind. Gleichzeitig besetzen wir auch neue Geschäftsfelder, wie beispielsweise die Drohnen-Logistik oder den 3D-Druck. Die weltweite Vernetzung ist also unser tägliches Geschäft. Und alles hat ursprünglich in der Speicherstadt begonnen.