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Am 29. Oktober 1888 gönnten die Hamburger sich und dem Regenten des deutschen Reichs einen arbeitsfreien „Kaisertag“. Zur feierlichen Einweihung der Speicherstadt griff Kaiser Wilhelm II. persönlich zu Maurerkelle und Polierhammer, die natürlich aus Silber und Elfenbein gefertigt waren.
Die dreißigjährige Regierungszeit des deutschen Kaisers Wilhelm II. stand noch ganz am Anfang, aber die Neigung des Monarchen zu pompösen Auftritten war bereits bekannt. Die Hamburger gingen gerne auf diese Schwäche ein und widmeten ihm den 29. Oktober 1888 als einen arbeitsfreien „Kaisertag“ mit allen Schikanen. Schließlich hatten sie für den Bau der Speicherstadt gerade den ganz erheblichen Zuschuss von 40 Millionen Reichsmark erhalten und durften ihren neuen Freihafen feiern.
Höhepunkt des siebenstündigen Kaiserbesuchs an der Elbe war deshalb auch die Schlusssteinlegung der Brooksbrücke – eine der drei neuen Brücken, die als Übergang zu den mächtigen Speicherblöcken der neuen Zollfreizone dienten. Die Brooksbrücke hatte Chefarchitekt Franz Andreas Meyer als Festarchitektur für dieses Ereignis gestaltet. An der Nordseite standen sich zwei Skulpturen von Aloys Denoth gegenüber: Hammonia und Germania. Diese Personifikationen Hamburgs bzw. des Deutschen Reichs streckten einander versöhnlich die Hände entgegen.
Zuvor hatte Hammonia sich allerdings lange geziert. So stimmte Hamburg als Mitglied des Norddeutschen Bundes 1867 nicht dem Zollanschluss zu und bestand auch bei der Reichsgründung 1871 darauf, selbst über seinen Beitritt zum deutschen Zollgebiet zu entscheiden. Nach zähem Ringen mit Reichskanzler Otto von Bismarck unterzeichnete der Senat schließlich am 25. Mai 1881 einen Zollanschlussvertrag. Das Deutsche Reich war Hamburgs Interessen entgegengekommen. Mit den erwähnten 40 Millionen Reichsmark „Fördergeld“ wurde ein großer Teil der Speicherstadt errichtet, und im Bereich des Freihafens blieb die Einfuhr, Lagerung und Verarbeitung von Importgütern zollfrei.
Am 15. Oktober 1888 wurde der Zollanschluss vollzogen. Kurz darauf kam der Kaiser, um das Ereignis auch zeremoniell zu würdigen. Die Hamburger Bürger bereiteten ihm einen prunkvollen Empfang, auch wenn nicht alle vom Zollanschluss begeistert waren. Die Erhebung von Zöllen hatte zum Beispiel Kaffee und Alkohol in der Freien und Hansestadt deutlich verteuert, und hanseatische Patrioten sahen sich oft eher als Hamburger denn als Deutsche. Doch sie hatten freibekommen, und frisch gekürte Kaiser sah man nur ganz selten aus der Nähe. Also säumten sie in Massen das Ufer und auf verschiedensten Booten auch das Wasser der Alster, wo der Monarch in der „Alsterlust“ sein Frühstück einnahm. Anschließend stieg er in das „Kaiserboot“, girlandengeschmückt, vergoldet und mit einem riesigen Schwan als Bugfigur.
Wer das Glück hatte, einen Blick auf den neuen deutschen Kaiser zu werfen, „sah einen knapp mittelgroßen Mann mit rastlosen, strahlend blauen Augen und lockigem hellbraunem Haar. Sein auffallendstes Merkmal war ein buschiger Schnurrbart mit aufgebogenen Spitzen, die Kreation eines geschickten Barbiers, der jeden Morgen mit einer Dose Wachs im Schloss erschien“, so der Historiker Robert K. Massie.
Durch die aufwändig geschmückte Stadt wurde der Regent zur Festzeremonie an der Brooksbrücke gefahren. Unter Fanfarenklängen geleitete der gesamte Senat mit seinem Ersten Bürgermeister Versmann den Kaiser zum Brückentor. Der Erste Vorsitzende der Baudeputation übergab dem Kaiser eine silberne Maurerkelle mit Elfenbeingriff. Der nahm etwas Mörtel auf, woraufhin der Schlussstein vermauert wurde. Nun reichte der Zweite Vorsitzende der Baudeputation einen Polierhammer aus denselben edlen Materialien. Der Kaiser tat höchstselbst drei Schläge auf den Stein und sprach: „Zur Ehre Gottes, zum Besten des Reichs, zu Hamburgs Wohl“
Anschließend gleiches Ritual für Reichskanzler Bismarck, den legendären Generalstabschef Moltke, den Präsidenten des Senats, stimmführende Mitglieder des Bundesrates, den Vorstand des Reichstages … Bis hinunter zum leitenden Techniker durften alle mit dem silbernen Hammer klopfen, streng hierarchisch natürlich. Dann der Bibelspruch des Geistlichen, Segen und das Lied „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr’“ – und die Speicherstadt war offiziell (ein)geweiht.
Silberne Kelle und Hammer sind als Leihgaben des Senats heute im Speicherstadtmuseum zu sehen. Der Schlussstein blieb erhalten und wurde in die Flutschutzmauer auf der Stadtseite der Brooksbrücke eingesetzt. Die ursprüngliche Prunkarchitektur der Brücke mit ihren hohen Türmen ging verloren, als die Brücke mehrfach verändert und erhöht wurde. Auch die Symbolfiguren sind nicht mehr die alten. Die ehrwürdige Dame Germania wurde ersetzt durch die liebreizende Königstochter Europa.