Immer auf dem Wissenssprung

Vor fast 22 Jahren startete der HHLA Container Terminal Altenwerder (CTA), und seitdem ist es die am stärksten automatisierte Umschlags­ein­richtung im Hamburger Hafen. Um die Geräte instand zu halten und zu reparieren, arbeiten bei HHLA Technik am Standort Altenwerder 150 Mitarbeitende im Schicht­betrieb. Hoch­spezialisierte Techniker werden im Ent­stör­dienst oder Wartung­steam gebraucht, in zwei Werkstätten für 95 Automated Guided Vehicles (AGVs) und rund 100 „Spreader“ (Last­aufnahme­mittel für Container) sowie in Fachteams für unter­schiedliches Equipment. HHLA Technik hat an allen Hamburger Standorten – CTA, Container Terminal Burchardkai CTB, Container Terminal Tollerort CTT – zusammen fast 500 Beschäftigte, die sich eng austauschen.

Die fortschreitende Automatisierung erfordert immer neue Fach­kenntnisse. Mit Blick auf die AGV-Flotte, die bis Ende 2023 komplett auf Lithium-Ionen-Batterien umgestellt wurde, nennt Betriebsleiter Henning Verstege ein Beispiel: „Hand­werker mit einer Grund­qualifikation als Elektroniker oder Mechatroniker haben alle eine Hoch­volt­schulung durchlaufen, um mit den neuen Techniken sicher und zielgerichtet arbeiten zu können.“ Was genau das für Mitarbeitende und ihre Arbeits­plätze bedeutet, und wie sie mit dem Wandel umgehen, das zeigen wir an drei Beispielen.

Bernhard Martens: Online die Störungen verfolgen, offline reparieren

Gerade hat Bernhard Martens mit umgeschnallter Fern­steuerung einen fast 27 Tonnen schweren AGV mühelos wie ein Spielzeug geparkt. Das bereitet ihm sichtlich Freude, genauso wie das Zusammen­spiel von Technik im Hafen, die er „mega­interessant“ findet. Deshalb hat er sich 2007 von einem Autohaus weg an die Kaikante beworben und seitdem bei der HHLA diverse Schulungen absolviert. Heute ist er Vor­hand­werker in der AGV-Werkstatt.

Während die ersten AGV diesel­hydraulisch angetrieben wurden, funktionierte die zweite Generation dieselelektrisch, bevor schließlich der Batterie­betrieb folgte. Beim ersten Umstieg benötigte Martens eine Weiter­bildung zur Elektro­fach­kraft für fest­gelegte Tätigkeiten. Die dreiwöchige Maßnahme erlaubt ihm, bei bis zu 1.000 Volt bestimmte Arbeits­abläufe, wie eine Mess- oder Einstell­tätigkeit oder einen Komponenten­wechsel, selbst­ständig durch­zuführen. Wegen des Generations­wechsels auf AGV-Batterien mit 800 Volt Gleich­spannung gab es eine dreitägige Hoch­volt­schulung. „Im technischen Beruf muss man sich immer weiterbilden, bei Fahr­zeugen ändert sich die Technik alle 15 bis 20 Jahre“, sagt er. Kürzere Intervalle liegen zwischen Sicherheits-, System- oder sonstigen Schulungen für kleinere Komponenten.

Bei den AGV schon mehrere Generationen erlebt

Als mitarbeitender Vorhand­werker ist er seit März 2011 in der Werkstatt für ein sieben­köpfiges Team verantwortlich. Hier sieht alles sauber und aufgeräumt aus, selbst die Fettpresse zum Abschmieren von Gelenken, um Neuteile einzubauen. Martens steht neben einem Rad­greifer, der AGVs auf Arbeits­höhe anheben kann, darüber schwebt ein Deckenkran. Er schaut nach, was seine Mitarbeiter gerade machen, und steckt dann im geöffneten Bauch eines AGV selbst die Kabel zusammen. Kurz darauf bedient er einen PC für AGV-Test­fahrten und bestellt Ersatz­teile. Dass ein Mitarbeiter währenddessen lautstark mit einem Schlag­schrauber die Kabine einer Zugmaschine entriegelt, um den Motor reparieren zu können, bringt ihn nicht aus der Spur.

Bernhard Martens in der SCA Werkstatt

Zwischendurch telefoniert Martens mit dem Terminal­leit­stand und verfolgt online AGV-Störungen, bevor er das fahrerlose Transport­system auf die Test­fläche holt, repariert und zurück in den Betrieb gibt. Hier zeigen sich für ihn die Vorteile der Digitalisierung: „Das Programm fährt die Maschine mit gleichmäßiger Belastung, das bedeutet längere Wartungs­intervalle.“

Bei den hoch­speziellen Geräten nach technischen Optimierungen zu suchen, macht Martens Spaß, und er ist stolz, AGVs und Zug­maschinen am Laufen zu halten: „Mich begeistert, dass ich abends sehe, dass ich was geschafft habe, und nicht jeden Tag das Gleiche mache.“ Die Heraus­forderung besteht für ihn darin, „Prioritäten zu setzen, um die Flotte einsatz­bereit zu halten“.

Nebenbei findet der zweifache Vater noch Zeit, sich im Betriebsrat und Tarifkommissionen zu engagieren: „Ich mag es, mich persönlich für die Absicherung von Kollegen einzusetzen“, sagt er.

Sascha Ehrich: Das Gehirn der Containerbrücke fit halten

Sicherheit steht auch für Sascha Ehrich, Handwerker im Geräteteam Wasser­seite, an erster Stelle. Weil sich sein Arbeitsplatz in circa 50 Meter Höhe befindet, verfügt er über persönliche Schutz­ausrüstung und regelmäßige Sicherheits­unter­weisungen. Vom Ausleger jeder der 14 Container­brücken kann er bei gutem Wetter den Fernsehturm sehen.

Es sieht aus wie im Schiffs­bauch, wenn Ehrich durch lange stählerne Gänge läuft. Platzangst darf er nicht haben, vor allem wenn er auf der Leiter durch den engen Pylon bis zu 80 Meter steil nach oben steigen muss. „Das kommt vielleicht einmal im Halbjahr vor, manchmal aber auch zweimal pro Woche“, berichtet er. Zur Sicherheit hat er immer einen Kollegen aus dem acht­köpfigen Geräteteam Wasser­seite dabei.

Im Steuerzentrum einer Containerbrücke

Normalerweise geht er an einer roten Tür vorbei mit der Aufschrift „Zutritt verboten! Hochspannung, Lebensgefahr“, dahinter werden 10.000 Volt für den Betrieb in 500 Volt umgewandelt. Bei Wind und Wetter erklimmt Ehrich eine Sicherheits­treppe mit rutsch­festen Gitter­rost­stufen, die zum elektrischen Betriebs­raum mit dem „Gehirn“ der Container­brücke führt. In der Steuerzentrale stehen Server und Monitore, die Status- oder Fehler­meldungen anzeigen.

Oft mechanisch und zunehmend elektrisch

Nach dem Fachabitur hat der gelernte Konstruktions­mechaniker bei HHLA Technik eine Ausbildung zum Mechatroniker drauf­gesetzt. Wenn ein Impulsgeber auffällig ist oder ein Messrad einen Lagerschaden hat, greift er zum Schrauben­schlüssel, um die Teile auszutauschen. Bei seiner hoch­spezialisierten Tätigkeit arbeitet er oft mechanisch und zunehmend elektrisch. Dafür erhält er Weiter­bildungen, beispielsweise für Umrichter­technik: „Dabei geht es um Leistungs­elektronik, wie Motoren mit unterschiedlicher Technik angesteuert werden – Hubwerke mit Gleichstrom, Katz­fahr­werke mit Wechsel­strom.“ In mehreren einwöchigen Kursen lernte er bei Siemens, deren Software zu bedienen.

Der nächste Wissens­sprung steht bevor, wenn von Oktober 2024 an die über 20 Jahre alten Container­brücken sukzessive gegen ferngesteuerte Krane von Liebherr ausgetauscht werden. „Für uns Hand­werker bedeutet das eine neue Heraus­forderung, weil die Programmier­sprache ganz anders ist“, sagt Ehrich. Künftig werden Sensoren und Scanner alles überwachen, was bislang der Fahrer macht: „Das muss instand­gesetzt, gewartet, kalibriert werden.“ Zusätzlich begleitet er neben seiner eigenen Arbeit auch Fremd­firmen, wenn sie z. B. die Spur einer Katze einstellen oder Schweiß­arbeiten durchführen.

Bevor Ehrich 2004 bei HHLA Technik anfing, hatte er sich übrigens nie mit Computern beschäftigt. Inzwischen ist er mit den Geräten von den Kinder­krank­heiten bis zum Retro­fitting mitgewachsen.

Christopher Schlage: Wie verlängert man die Lebensdauer?

Elektrisches Retrofitting ist eines der Spezial­gebiete von Christopher Schlage, der als Disponent das Geräteteam Landseite leitet. Das bedeutet, die Lebens­dauer zum Beispiel für automatisierte Lager­kran­systeme, auch Block­lager genannt, zu verlängern. Die acht Handwerker plus einem Stellvertreter von Schlage arbeiten im Rahmen der HHLA-Nach­haltig­keits­strategie daran mit. Sie sprechen Empfehlungen aus, welche Komponenten behalten oder ersetzt werden sollen, unterstützen den Kran­hersteller bei technischen Fragen oder prüfen die neue Kran­dokumentation auf Richtigkeit.

„Wir wollen aufgrund der erreichten Stapel­genauigkeit zum Beispiel Boden­markierer behalten, an denen sich der Kran orientiert“, sagt der 47-Jährige. Die 26 Lager­blöcke mit je zwei Portal­kränen auf Schienen und einer Speicher­kapazität von 1.440 TEU pro Standard­block fungieren als Binde­glied zwischen AGVs Richtung Wasser­seite, Lkws im Hinter­land­verkehr und terminal­eigenem Chassis-Verkehr zwischen Lager- und Bahnkranen.

Automatisierungstechnik wurde weltweit übernommen

Bei dem Retrofit-Projekt wurde bereits der erste Lagerblock elektrisch entkernt, während Stahlbau, Motoren, Kabelwege und Räder bleiben. In die Jahre gekommene Leistungs­elektronik ist auf dem Markt nicht mehr erhältlich. „Das Gehirn des Krans und alles, was mit der Haupt­steuerung zusammen­arbeitet, wird ausgetauscht. Das beinhaltet auch Peripherie­teile, wie Ein- und Ausgabe-Baugruppen“, erläutert Schlage. Und er betont: „Beim Hersteller ABB haben wir ein extrem hohes Ansehen, was Instandhaltung, Verbesserung der Krane und Ideenreichtum angeht.“ So entwickelte sein Team Details, die der Auto­matisierungs­technik­konzern weltweit übernommen hat, beispielsweise ein Positionier­system mit statischen Magneten.

„Mein Herz hat immer schon für den Lagerkran geschlagen“, sagt Schlage. 2001 kam er von einem Industrieunternehmen zu HHLA Technik und fing damals auf dem CTA als erster Handwerker an, bevor er Vorhand­werker im Ent­stör­dienst wurde. Heute verbringt er ungefähr ein Fünftel seiner Dienstzeit unmittelbar im Block­lager, meistens sitzt er im Groß­raum­büro. Morgens liest Schlage erstmal die Protokolle der Spät­schicht, um sein Team für die daraus folgenden Arbeiten einzuteilen.

Die Bildschirm-Arbeits­plätze mögen auf den ersten Blick unspektakulär erscheinen, aber hier werden wichtige Impulse für die nachhaltige Zukunft der HHLA gesetzt: „Mit unseren Analysen gelingt es, das bestehende Material effektiver zu gestalten.“ So erhöhten die Kran­spezialisten im Laufe von zwei Jahrzehnten die Geräte­stabilität im Block­lager. Als Beispiel nennt er den Antrieb für die Kabel­trommel: „Mit selbst­ständig erarbeiteten Software-Änderungen in der Kabel­trommel-Steuerung konnten wir nennenswerte Optimierungen der Systeme erreichen.“

Ohne Weiterbildung würde es keine Kranhandwerker geben

Sein Team konnte Schlage seit 2006 selbst zusammen­stellen, aber „Kran­hand­werker gibt es am Markt nicht“, sagt er. Die Kunst bestand darin, unter den verfügbaren Elektrikern, Elektronikern, Meistern passende Charaktere zu finden. Während der Lehman-Krise 2008 bot der Arbeit­geber ihm die Chance, sich vier Monate lang zum Technischen Fachwirt weiterzubilden. Heute profitiert er von dem unter­nehmerischen Denken, wenn er Produktions­abläufe überwacht, über Technik­einsatz entscheidet und die Betriebs­bereit­schaft sicherstellt.

Am weltweit ersten zertifiziert klima­neutralen Terminal der Welt zu arbeiten, macht ihn stolz, weil er mit seinem Team dazu beigetragen hat, beispiels­weise auf energie­effiziente LED-Technik umzurüsten. Früher sind die 52 Portal­krane am CTA abends komplett beleuchtet gefahren, jetzt bleibt das Blocklager dunkel. Nur, wenn ein Fern­steuerer angefordert wird, geht Licht an.

Privat repariert der ausgebildete Industrie­elektroniker übrigens gerne, und zwar alles, was im Haushalt kaputt geht.

Autorin: Kerstin Kloss

Veröffentlicht am 27.3.2024

Mit Schraubenschlüssel und Diagnose-Tool

Kim Buchholz ist Auszubildende Mechatronikerin bei HHLA Technik

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