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Digitalisierung und Automatisierung verändern die Arbeitswelt grundlegend und immer schneller. Eine im März 2023 veröffentlichte Studie der Investmentbank Goldman Sachs geht davon aus, dass etwa zwei Drittel der Berufe in den USA bis zu einem gewissen Grad durch Künstliche Intelligenz automatisiert werden können. Was bedeutet das für die hochspezialisierten Technikberufe im Hafen?
Um welche Jobs in Deutschland es sich handelt, zeigt die Website der Bundesagentur für Arbeit, die über neue und geänderte Berufe informiert. So wurde 2023 die Ausbildung für Steuerfachangestellte modernisiert, weil es für Steuererklärung, Betriebsprüfung und Buchführung zunehmend elektronische Verfahren gibt. Neu geschaffen wurde beispielsweise der dreijährige Ausbildungsberuf „Gestalter/in für immersive Medien“, weil Augmented, Virtual oder Mixed Reality genauso wie 360-Grad-Anwendungen Industrie 4.0, Handel, Medizin, Bildung und Kultur immer stärker durchdringen.
Sönke Fock, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Hamburg, sagt: „Digitale Transformationsprozesse sind für Unternehmen aller Branchen fast schon existentiell geworden. Daher sind die damit verbundenen beruflichen Qualifizierungen für die Beschäftigten absolut notwendig und immer auch eine ganz persönliche Investition in die Zukunft.“
Vor fast 22 Jahren startete der HHLA Container Terminal Altenwerder (CTA), und seitdem ist es die am stärksten automatisierte Umschlagseinrichtung im Hamburger Hafen. Um die Geräte instand zu halten und zu reparieren, arbeiten bei HHLA Technik am Standort Altenwerder 150 Mitarbeitende im Schichtbetrieb. Hochspezialisierte Techniker werden im Entstördienst oder Wartungsteam gebraucht, in zwei Werkstätten für 95 Automated Guided Vehicles (AGVs) und rund 100 „Spreader“ (Lastaufnahmemittel für Container) sowie in Fachteams für unterschiedliches Equipment. HHLA Technik hat an allen Hamburger Standorten – CTA, Container Terminal Burchardkai CTB, Container Terminal Tollerort CTT – zusammen fast 500 Beschäftigte, die sich eng austauschen.
Die fortschreitende Automatisierung erfordert immer neue Fachkenntnisse. Mit Blick auf die AGV-Flotte, die bis Ende 2023 komplett auf Lithium-Ionen-Batterien umgestellt wurde, nennt Betriebsleiter Henning Verstege ein Beispiel: „Handwerker mit einer Grundqualifikation als Elektroniker oder Mechatroniker haben alle eine Hochvoltschulung durchlaufen, um mit den neuen Techniken sicher und zielgerichtet arbeiten zu können.“ Was genau das für Mitarbeitende und ihre Arbeitsplätze bedeutet, und wie sie mit dem Wandel umgehen, das zeigen wir an drei Beispielen.
Gerade hat Bernhard Martens mit umgeschnallter Fernsteuerung einen fast 27 Tonnen schweren AGV mühelos wie ein Spielzeug geparkt. Das bereitet ihm sichtlich Freude, genauso wie das Zusammenspiel von Technik im Hafen, die er „megainteressant“ findet. Deshalb hat er sich 2007 von einem Autohaus weg an die Kaikante beworben und seitdem bei der HHLA diverse Schulungen absolviert. Heute ist er Vorhandwerker in der AGV-Werkstatt.
Während die ersten AGV dieselhydraulisch angetrieben wurden, funktionierte die zweite Generation dieselelektrisch, bevor schließlich der Batteriebetrieb folgte. Beim ersten Umstieg benötigte Martens eine Weiterbildung zur Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten. Die dreiwöchige Maßnahme erlaubt ihm, bei bis zu 1.000 Volt bestimmte Arbeitsabläufe, wie eine Mess- oder Einstelltätigkeit oder einen Komponentenwechsel, selbstständig durchzuführen. Wegen des Generationswechsels auf AGV-Batterien mit 800 Volt Gleichspannung gab es eine dreitägige Hochvoltschulung. „Im technischen Beruf muss man sich immer weiterbilden, bei Fahrzeugen ändert sich die Technik alle 15 bis 20 Jahre“, sagt er. Kürzere Intervalle liegen zwischen Sicherheits-, System- oder sonstigen Schulungen für kleinere Komponenten.
Als mitarbeitender Vorhandwerker ist er seit März 2011 in der Werkstatt für ein siebenköpfiges Team verantwortlich. Hier sieht alles sauber und aufgeräumt aus, selbst die Fettpresse zum Abschmieren von Gelenken, um Neuteile einzubauen. Martens steht neben einem Radgreifer, der AGVs auf Arbeitshöhe anheben kann, darüber schwebt ein Deckenkran. Er schaut nach, was seine Mitarbeiter gerade machen, und steckt dann im geöffneten Bauch eines AGV selbst die Kabel zusammen. Kurz darauf bedient er einen PC für AGV-Testfahrten und bestellt Ersatzteile. Dass ein Mitarbeiter währenddessen lautstark mit einem Schlagschrauber die Kabine einer Zugmaschine entriegelt, um den Motor reparieren zu können, bringt ihn nicht aus der Spur.
Zwischendurch telefoniert Martens mit dem Terminalleitstand und verfolgt online AGV-Störungen, bevor er das fahrerlose Transportsystem auf die Testfläche holt, repariert und zurück in den Betrieb gibt. Hier zeigen sich für ihn die Vorteile der Digitalisierung: „Das Programm fährt die Maschine mit gleichmäßiger Belastung, das bedeutet längere Wartungsintervalle.“
Bei den hochspeziellen Geräten nach technischen Optimierungen zu suchen, macht Martens Spaß, und er ist stolz, AGVs und Zugmaschinen am Laufen zu halten: „Mich begeistert, dass ich abends sehe, dass ich was geschafft habe, und nicht jeden Tag das Gleiche mache.“ Die Herausforderung besteht für ihn darin, „Prioritäten zu setzen, um die Flotte einsatzbereit zu halten“.
Nebenbei findet der zweifache Vater noch Zeit, sich im Betriebsrat und Tarifkommissionen zu engagieren: „Ich mag es, mich persönlich für die Absicherung von Kollegen einzusetzen“, sagt er.
Sicherheit steht auch für Sascha Ehrich, Handwerker im Geräteteam Wasserseite, an erster Stelle. Weil sich sein Arbeitsplatz in circa 50 Meter Höhe befindet, verfügt er über persönliche Schutzausrüstung und regelmäßige Sicherheitsunterweisungen. Vom Ausleger jeder der 14 Containerbrücken kann er bei gutem Wetter den Fernsehturm sehen.
Es sieht aus wie im Schiffsbauch, wenn Ehrich durch lange stählerne Gänge läuft. Platzangst darf er nicht haben, vor allem wenn er auf der Leiter durch den engen Pylon bis zu 80 Meter steil nach oben steigen muss. „Das kommt vielleicht einmal im Halbjahr vor, manchmal aber auch zweimal pro Woche“, berichtet er. Zur Sicherheit hat er immer einen Kollegen aus dem achtköpfigen Geräteteam Wasserseite dabei.
Normalerweise geht er an einer roten Tür vorbei mit der Aufschrift „Zutritt verboten! Hochspannung, Lebensgefahr“, dahinter werden 10.000 Volt für den Betrieb in 500 Volt umgewandelt. Bei Wind und Wetter erklimmt Ehrich eine Sicherheitstreppe mit rutschfesten Gitterroststufen, die zum elektrischen Betriebsraum mit dem „Gehirn“ der Containerbrücke führt. In der Steuerzentrale stehen Server und Monitore, die Status- oder Fehlermeldungen anzeigen.
Nach dem Fachabitur hat der gelernte Konstruktionsmechaniker bei HHLA Technik eine Ausbildung zum Mechatroniker draufgesetzt. Wenn ein Impulsgeber auffällig ist oder ein Messrad einen Lagerschaden hat, greift er zum Schraubenschlüssel, um die Teile auszutauschen. Bei seiner hochspezialisierten Tätigkeit arbeitet er oft mechanisch und zunehmend elektrisch. Dafür erhält er Weiterbildungen, beispielsweise für Umrichtertechnik: „Dabei geht es um Leistungselektronik, wie Motoren mit unterschiedlicher Technik angesteuert werden – Hubwerke mit Gleichstrom, Katzfahrwerke mit Wechselstrom.“ In mehreren einwöchigen Kursen lernte er bei Siemens, deren Software zu bedienen.
Der nächste Wissenssprung steht bevor, wenn von Oktober 2024 an die über 20 Jahre alten Containerbrücken sukzessive gegen ferngesteuerte Krane von Liebherr ausgetauscht werden. „Für uns Handwerker bedeutet das eine neue Herausforderung, weil die Programmiersprache ganz anders ist“, sagt Ehrich. Künftig werden Sensoren und Scanner alles überwachen, was bislang der Fahrer macht: „Das muss instandgesetzt, gewartet, kalibriert werden.“ Zusätzlich begleitet er neben seiner eigenen Arbeit auch Fremdfirmen, wenn sie z. B. die Spur einer Katze einstellen oder Schweißarbeiten durchführen.
Bevor Ehrich 2004 bei HHLA Technik anfing, hatte er sich übrigens nie mit Computern beschäftigt. Inzwischen ist er mit den Geräten von den Kinderkrankheiten bis zum Retrofitting mitgewachsen.
Elektrisches Retrofitting ist eines der Spezialgebiete von Christopher Schlage, der als Disponent das Geräteteam Landseite leitet. Das bedeutet, die Lebensdauer zum Beispiel für automatisierte Lagerkransysteme, auch Blocklager genannt, zu verlängern. Die acht Handwerker plus einem Stellvertreter von Schlage arbeiten im Rahmen der HHLA-Nachhaltigkeitsstrategie daran mit. Sie sprechen Empfehlungen aus, welche Komponenten behalten oder ersetzt werden sollen, unterstützen den Kranhersteller bei technischen Fragen oder prüfen die neue Krandokumentation auf Richtigkeit.
„Wir wollen aufgrund der erreichten Stapelgenauigkeit zum Beispiel Bodenmarkierer behalten, an denen sich der Kran orientiert“, sagt der 47-Jährige. Die 26 Lagerblöcke mit je zwei Portalkränen auf Schienen und einer Speicherkapazität von 1.440 TEU pro Standardblock fungieren als Bindeglied zwischen AGVs Richtung Wasserseite, Lkws im Hinterlandverkehr und terminaleigenem Chassis-Verkehr zwischen Lager- und Bahnkranen.
Bei dem Retrofit-Projekt wurde bereits der erste Lagerblock elektrisch entkernt, während Stahlbau, Motoren, Kabelwege und Räder bleiben. In die Jahre gekommene Leistungselektronik ist auf dem Markt nicht mehr erhältlich. „Das Gehirn des Krans und alles, was mit der Hauptsteuerung zusammenarbeitet, wird ausgetauscht. Das beinhaltet auch Peripherieteile, wie Ein- und Ausgabe-Baugruppen“, erläutert Schlage. Und er betont: „Beim Hersteller ABB haben wir ein extrem hohes Ansehen, was Instandhaltung, Verbesserung der Krane und Ideenreichtum angeht.“ So entwickelte sein Team Details, die der Automatisierungstechnikkonzern weltweit übernommen hat, beispielsweise ein Positioniersystem mit statischen Magneten.
„Mein Herz hat immer schon für den Lagerkran geschlagen“, sagt Schlage. 2001 kam er von einem Industrieunternehmen zu HHLA Technik und fing damals auf dem CTA als erster Handwerker an, bevor er Vorhandwerker im Entstördienst wurde. Heute verbringt er ungefähr ein Fünftel seiner Dienstzeit unmittelbar im Blocklager, meistens sitzt er im Großraumbüro. Morgens liest Schlage erstmal die Protokolle der Spätschicht, um sein Team für die daraus folgenden Arbeiten einzuteilen.
Die Bildschirm-Arbeitsplätze mögen auf den ersten Blick unspektakulär erscheinen, aber hier werden wichtige Impulse für die nachhaltige Zukunft der HHLA gesetzt: „Mit unseren Analysen gelingt es, das bestehende Material effektiver zu gestalten.“ So erhöhten die Kranspezialisten im Laufe von zwei Jahrzehnten die Gerätestabilität im Blocklager. Als Beispiel nennt er den Antrieb für die Kabeltrommel: „Mit selbstständig erarbeiteten Software-Änderungen in der Kabeltrommel-Steuerung konnten wir nennenswerte Optimierungen der Systeme erreichen.“
Sein Team konnte Schlage seit 2006 selbst zusammenstellen, aber „Kranhandwerker gibt es am Markt nicht“, sagt er. Die Kunst bestand darin, unter den verfügbaren Elektrikern, Elektronikern, Meistern passende Charaktere zu finden. Während der Lehman-Krise 2008 bot der Arbeitgeber ihm die Chance, sich vier Monate lang zum Technischen Fachwirt weiterzubilden. Heute profitiert er von dem unternehmerischen Denken, wenn er Produktionsabläufe überwacht, über Technikeinsatz entscheidet und die Betriebsbereitschaft sicherstellt.
Am weltweit ersten zertifiziert klimaneutralen Terminal der Welt zu arbeiten, macht ihn stolz, weil er mit seinem Team dazu beigetragen hat, beispielsweise auf energieeffiziente LED-Technik umzurüsten. Früher sind die 52 Portalkrane am CTA abends komplett beleuchtet gefahren, jetzt bleibt das Blocklager dunkel. Nur, wenn ein Fernsteuerer angefordert wird, geht Licht an.
Privat repariert der ausgebildete Industrieelektroniker übrigens gerne, und zwar alles, was im Haushalt kaputt geht.
Autorin: Kerstin Kloss
Veröffentlicht am 27.3.2024
Kim Buchholz ist Auszubildende Mechatronikerin bei HHLA Technik
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