Quanten, Qubits und Kombinatorik

Was unterscheidet Quantencomputer von herkömmlichen Rechnern? Und bei welchen Aufgaben können sie ihr Potenziel entfalten?

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Schon mal etwas von Quantencomputern gehört? Das ist eine revolutionäre, hochleistungsfähige Rechnerarchitektur, die unter anderem komplexe Anwendungen mit künstlicher Intelligenz ermöglicht. Könnte eine Basisversion davon auch in der Hafenlogistik zum Einsatz kommen? Darum geht es in diesem HHLA Talk.

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Manches klingt zwar beinahe wie Science Fiction, anderes aber im Ansatz schon Markt tauglich. Darüber spreche ich mit Anne-Marie Tumescheit, einem von gefühlt vielleicht 10.000 Menschen in Deutschland, die etwas von Quantencomputern verstehen. Frau Tumescheit, Sie arbeiten im Bereich Business Development beim japanischen Technologiekonzern Fujitsu in Berlin. Nutzt Fujitsu denn heute schon Quantencomputer, um solche Problemlösungen zu liefern?

Ich freue mich sehr, heute hier zu sein. Und nein, tatsächlich benutzen wir bisher noch keine richtigen Quantencomputer, um Fragestellungen zu lösen. Aber wir arbeiten bereits mit quanten-inspirierten Technologien, um unseren Kunden bei der einen oder anderen Problemlösung zu helfen.

Für unser Gespräch hilft es sicher sehr, dass Sie nicht nur Bioinformatik studiert haben, sondern auch im Bereich Wissenschaftskommunikation bei der Fraunhofer-Gesellschaft tätig waren, Deutschlands größtem Forschungsnetzwerk. Sie haben also hochkomplexe Technologiethemen verständlich gemacht. Können Sie Quantencomputing für uns übersetzen?

Ich bemühe mich auf jeden Fall, es gut verständlich zu übersetzen. Dabei wird natürlich an der einen oder anderen Stelle die wissenschaftliche Genauigkeit ein bisschen auf der Strecke bleiben. Aber wichtig ist ja, dass man sich unter diesen Begriffen etwas vorstellen kann und eine Idee davon bekommt, was Quantencomputer eines Tages für unsere Welt bedeuten können.

Dann fangen wir mit dem grundlegendsten Begriffen an. Was ist eigentlich ein Quant?

Ein Quant ist die kleinstmögliche Energieportion, vielleicht sollte man so anfangen. Zunächst einmal ist es eine Maßeinheit, genauso wie Zentimeter oder Kilogramm. Und ein Quant beschreibt im Endeffekt die kleinstmögliche Portion von elektromagnetischen Wellen wie Licht, Radiowellen, Mikrowellen oder ähnlichem. Diese kleinste Portion ist nicht mehr teilbar. Man könnte sich das ein bisschen vorstellen wie bei Pommes rot-weiß, wo meine kleinste Portion ein Pommes wäre.

Neben dem Quant gibt es noch einen grundlegenden Begriff für das Quantencomputing. Was beim herkömmlichen Computer der Bit ist, dem entspricht hier das Qubits als kleinstmögliche verarbeitungsfähige Informationseinheit. Eine solche Einheit ist tatsächlich recht kompliziert. Bitte erklären Sie es uns doch so einfach wie möglich.

Beim Computer kennt man das natürlich. Man kann mit Bits arbeiten und hat zwei mögliche Zustände: eins und null. Oder: Strom an, Strom aus. Schlicht und ergreifend. Und daraus, dass diese Bits möglichst gut verschaltet werden, kann man dann am Ende des Tages alle möglichen Programme am Computer ablaufen oder ausrechnen lassen.

Bei einem Qubit haben wir jetzt den Vorteil, dass er nicht nur eins oder null sein kann, sondern auch alle möglichen Zustände dazwischen. Man nennt dieses Prinzip Superposition. Sprich: zwei Zustände von Qubits können sich überlagern. Man kann sich das tatsächlich so ein bisschen vorstellen wie kleine Kugeln, die sich überlagern. Und die haben dementsprechend die Möglichkeit, eben viel, viel mehr Zustände darzustellen. Theoretisch unendlich viele.

Mit den Quanten und den Qubits haben Sie jetzt schon ein paar Grundlagen des Quantencomputer erklärt. Was unterscheidet solche Rechner denn noch von herkömmlichen Computern in Rechenzentren?

Also grundsätzlich muss man sagen, dass ein Quantencomputer ganz andere Möglichkeiten bietet als ein herkömmlicher Computer, und dass er aufgrund dieser anderen Möglichkeiten auch ganz anders rechnet. Dadurch, dass eben ein Qubit viele verschiedene Zustände annehmen kann, die jeweils mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit belegt sind, habe ich die Möglichkeit, sehr, sehr viel mehr Informationen in diesem Cube zu speichern.

Weiterhin ist da noch eine Eigenschaft, die aus der Quantenmechanik kommt: sie sind verschränkt. Das bedeutet, dass die Qubits untereinander die Information sozusagen ohne Zeitverlust weitergeben können. Wenn ich ein Bild beeinflusse, beeinflusse ich auch zugleich die verschränkten Qubits. Das heißt, ich erzeuge eine Art Kettenreaktion wie beim Domino, nur dass eben keine Zeit während dieser Reaktion vergeht. Und das kann ich bei einem normalen Computer nicht machen.

Sind denn Quantencomputer eigentlich alle gleich aufgebaut oder gibt es da prinzipielle Unterschiede?

Tatsächlich gibt es zwei fundamental unterschiedliche Arten, wie Quantencomputer funktionieren. Wir haben auf der einen Seite die Quantengatter. Gatter sind die, die am ehesten mit unseren heutigen Computern vergleichbar sind, weil sie universell sind und alle Arten von Problemen lösen können. Leider stehen die in der Forschung noch sehr, sehr am Anfang. Die zweite Variante sind die Quanten-Annealer, mit denen man am besten Optimierungsaufgaben lösen kann.

Was in dieser zweiten Variante beim Rechnen passiert, das heißt auf Englisch Annealing und auf Deutsch so etwas wie einschmelzen. Erklären Sie bitte mal diesen Schmelzvorgang.

Das ist eine Methode, die aus mathematischer Sicht schon sehr lange bekannt ist. Sie beschreibt, dass man ein Problem in eine Energiegleichung übersetzt. Das geht besonders gut mit Optimierungen, also Problemen, die in der Regel kombinatorischer Art sind. Aus einer unfassbar großen Anzahl an Möglichkeiten soll die Beste herausgesucht werden.

Beim Editing wiederum ist es so, dass eben dieses Optimierungsproblem in eine Energiegleichung übersetzt wird. Das Ergebnis kann man sich vorstellen wie ein Gebirge. Ich habe sozusagen Berge, die sind meine Maxima, und ich habe Täler, die sind meine Minima. Meist möchte ich entweder den höchsten Berg oder das tiefste Tal finden. Und das wird durch die Energiegleichung beschrieben, die dieses Gebirge sozusagen aufbaut. Am Ende des Tages kann ein Quanten-Annealer dort den höchsten Berg oder das tiefste Tal bestimmen.

Für welche Art von Aufgaben empfiehlt sich diese Gebirgslandschaft, die der Quantencomputer auswirft?

Diese Gebirgslandschaften sind, wie schon erwähnt, die Lösung von Energiegleichungen. Die lassen sich insbesondere für Optimierungsprobleme aufstellen, aber man kann sie auch abwandeln für die Suche in besonders großen Datenmengen. Und diese Probleme können wir damit auch schon lösen.

Dennoch ist die Umsetzung der theoretischen Superleistung des Quantencomputers heute noch sehr aufwendig und in der Praxis nur bedingt realisierbar. Woran liegt das eigentlich?

Nun, wir reden bei Quantencomputern davon, dass wir mit sehr kleinen Teilchen arbeiten. Also sprich: Atome oder noch kleiner, zum Beispiel Elektronen, Protonen und Neutronen. Wir wissen, dass Atome die wunderschöne Eigenschaft haben, sich die ganze Zeit zu bewegen. Umgangssprachlich nennt man das Wärme. Wärme ist aber eigentlich nichts anderes als eine gewisse Bewegungsenergie in den Teilchen.

Wir können, wenn die Teilchen die ganze Zeit durch die Gegend flitzen, mit ihnen leider nicht rechnen. Das ist ganz schwierig. Und deswegen ist es wichtig, dass wir sie auf fast minus 273 Grad Celsius herunterkühlen. Man sagt dazu auch null Kelvin. Wir müssen ganz nah an diesem Wert herunter kühlen, damit sie einfach ruhig sind. Dann können wir sie sozusagen fangen und in ein bestimmtes Muster drücken, um mit ihnen zu arbeiten können. Ansonsten flitzen sie einfach davon.

Und außerdem benötigen solche Computer eine ganz extreme Art von Abschirmung. Richtig?

Das ist korrekt. Das liegt auch wieder daran, dass es so kleine Teilchen sind. Und die lassen sich eben von allem beeinflussen, was um sie herum fleucht. Dabei ist es völlig egal, ob wir von irgendeiner Weltraumstrahlung sprechen, von Funkwellen, die sich ganz normal überall auf der Erde finden lassen, oder ob vielleicht einfach ein Mitarbeiter mit eingeschaltetem Handy daran vorbeigeht. All diese Energiequellen beeinflussen die Teilchen, weil sie extrem klein und damit sehr leicht zu beeinflussen sind.

Das klingt ja wirklich nach ganz erheblichen Erschwernissen für den Einsatz solcher Rechner in der Praxis. Wie lange wird es denn noch dauern, bis echte Quantencomputer wirtschaftlich einsetzbar sind?

Also dazu gibt es natürlich verschiedene Schätzungen. Wissenschaftler sind sich darin nicht einig. Der eine sagt fünf Jahre, der andere sagt zehn Jahre. Viele Werte dazwischen und auch längere gibt es. Ich persönlich denke, dass wir in zehn Jahren von der wirtschaftlichen Einsatzfähigkeit sprechen können. Wir werden sicherlich in den nächsten fünf Jahren deutliche Fortschritte machen, was die Größe der Quantencomputer angeht. Und in fünf Jahren können wir schon anfangen, mit vernünftigen Größen darauf zu arbeiten. Aber bis wir tatsächlich in eine ernsthafte wirtschaftliche Nutzung kommen, brauchen wir noch ungefähr zehn Jahre.

Es geht also heute in der wirtschaftlichen Anwendung noch nicht um reine Quantencomputer, sondern um sogenannte quanten-inspirierte Brückentechnologien. Was bedeutet das?

Es gibt zwei Arten quanten-inspirierter Brückentechnologien: zum Einen die Möglichkeit, dass man die Quanteneffekte simuliert, so wie man am Computer ja viele Dinge simulieren kann wie beispielsweise Bevölkerungsströme oder Wachstum. Im Moment natürlich in aller Munde: die Ausweitung der Pandemie, wie werden sich die Infektionen entwickeln? Das sind alles Simulationen, denen man physikalische Gleichungen zugrunde legt. Genauso kann man das auch mit Quanteneffekten machen. Aber auch da reden wir noch von einem sehr kleinen Einsatzgebiet, wo wir 20 bis 30 Qubits simulieren können.

Wenn wir jetzt über Emulatoren sprechen, dann sprechen wir über ganz spezielle Hardware, die von Quanteneffekten inspiriert ist. Da gibt es zum Beispiel den digitalen Annealer von unserer Firma. Aber auch Microsoft hat mittlerweile etwas im Angebot. Und auf diesen Geräten, auf diesen digitalen Annealern kann man schon mit deutlich größeren Zahlen rechnen. Wir reden von 8.000 bis 100.000 Qubits, und damit kann man heute schon Probleme lösen, die durchaus eine entsprechende industrielle Größe haben.

Und wo genau wird so etwas heute in der Wirtschaft schon genutzt?

Tatsächlich haben wir zum Beispiel mit BMW die Bewegung von Roboterarmen optimiert. Ein heutiges Auto wird ja nicht mehr per Hand lackiert, sondern von Robotern. Und diese Roboterarme haben mehrere Gelenke und damit ziemlich viele Möglichkeiten, sich zu bewegen, in alle möglichen Richtungen. Dabei sind zwei Dinge wichtig: Erstens dürfen sie sich nicht in die Quere kommen oder das Auto beschädigen. Und Zweitens sollen sie sich natürlich so optimal bewegen, dass das Auto in kürzester Zeit lackiert werden kann. Das ist ein Beispiel aus der kombinatorischen Optimierung, wo man einfach alle möglichen Bewegungsmuster eines einzelnen Arms kombiniert, um am Ende herauszufinden, was ist die kürzeste Zeit und das sicherste Bewegungsmuster für diese Roboter.

Ein zweites Beispiel ist tatsächlich ein bisschen pandemie-inspiriert, wenn ich das so sagen darf. Wir alle kennen ja noch die Regeln: Mit einem Meter fünfzig Abstand dürfen zum Beispiel maximal zwei Haushalte zusammensitzen und solche Dinge. Das haben wir mal auf ein Stadion angewendet. Und zwar so, dass anhand der erlaubten Gruppengrößen und der Mindestabstände, die eingehalten werden müssen, die Auslastung der Stadien optimal ist. Das ermöglicht eine deutlich höhere Stadionauslastung, als wenn ich das per Hand mache, weil ich sehr viel Kombinatorisches optimieren muss. Immer mit den entsprechenden Bedingungen: Wer darf mit wem zusammensitzen? Wer muss wo langgehen, und wer darf sich mit wem treffen? Und diese Möglichkeiten verteile ich so, dass ich einfach möglichst viele Besucher sicher im Stadion habe.

Dann lassen Sie uns mal sehen, wie weit die Brückentechnologie zum Quantencomputer heute schon in den Bereichen Hafen und Logistik helfen kann, welche die HHLA natürlich vor allem beschäftigt. Sie ist gemeinsam mit dem Institut für Laserphysik der Universität Hamburg und anderen Partnern an einem Forschungskonsortium beteiligt. Es soll der Frage nachgehen, wie mithilfe von Quantencomputing etwa Schiffsrouten oder Lieferketten optimiert werden können. So will man Energiekosten sparen und zum Klimaschutz beitragen. Ist das für Sie ein vielversprechender Ansatz?

Generell ja, das kann man so sagen. Nehmen wir die Optimierung von globalen Logistikketten, gerade in unserer heutigen Welt, wo es einfach viele Zwischenstationen gibt, wo Dinge angepackt und gelagert werden. Das ist eine riesige kombinatorische Optimierung, und da ist auf jeden Fall der Quantenrechner vielversprechend.

Auch der Klimaschutz basiert viel auf Simulationen, an denen einfach sehr, sehr viele Faktoren beteiligt sind. Es gibt immer dieses „süße“ Bild: Wenn in China ein Schmetterling mit dem Flügel schlägt, merken wir das hier in Europa. Natürlich merken wir das nicht direkt, aber das Klima wird ungefähr auf einem solchen Detailniveau beeinflusst. Oder auch das Wetter, und das sind dann Dinge, wo man eben sehr, sehr viele Berechnungen machen kann.

Also es kommt darauf an, dass möglichst viele Variablen und Unbekannte im Spiel sind, damit so ein Rechner seine Stärken ausspielen kann.

Ganz genau. Das ist einfach essenziell, dass wir viele Möglichkeiten haben, viele Kombinationen bilden können und dann auch viele Daten verarbeiten müssen.

Was würden Sie denn außerdem als ein gutes, zielführendes Beispiel für den Quantencomputer-Einsatz im Hafen sehen?

Tatsächlich haben wir gemeinsam mit der HPA ein aktuelles Projekt im Hamburger Hafen, und zwar ein Projekt zur Optimierung des Verkehrsfluss. Und die Optimierung von Verkehr ist generell ein sehr gutes Beispiel, um quanten-inspirierte Technologien und später dann auch reguläre Quantencomputer anzuwenden.

Nun gibt es ja schon einige Lösungen, um Staus im Hafen zu bekämpfen, zum Beispiel intelligentes Ampelphasen-Management nach Verkehrsbelastung. Warum reicht hohe Rechnerleistung herkömmlicher Steuersysteme hier alleine nicht aus?

Das Problem mit der adaptiven Ampelschaltung ist leider, dass jede Ampelkreuzung nur auf sich guckt. Das heißt, wenn drei Ampelkreuzungen weiter irgendein großer Konvoi ankommt oder sich dort abzeichnet, dass in einer bestimmten Fahrtrichtung super viel los sein wird, dann wird diese Kreuzung das erst in dem Moment erfahren, wenn die Autos schon bei ihr angekommen sind. Das führt zu Zeitverzögerungen und kann auch wieder Staus verursachen, die man verhindern könnte.

Die ideale Lösung ist es, allen Ampeln die Möglichkeit zu geben, miteinander zu kommunizieren. Also eigentlich können die Ampeln das nicht unter sich aushandeln, sondern die Möglichkeit ist, dass man alle Ampeln in ein System aufnimmt, sich anschaut, welcher Verkehr fließt aktuell und dann einfach die optimale Kombination der Ampelschaltungen ausrechnet. Und zwar global über alle, so dass am Ende des Tages die erste Ampel genauso schaltet, dass auch an der dritten, vierten oder siebenten Ampel noch ein optimaler Verkehrsfluss entsteht.

Eine verwandte Fragestellung mit Hafenbezug wäre: wie können Routen im intermodalen Verkehr - also Schiff, Schiene, Straße - optimiert werden, um zum Beispiel Container schneller von A nach B zu bringen? Grundsätzlich hat auch der berühmte Reisende Vertreter dieses Problem. Es gibt so und so viele Städte, die er bereisen muss. Aber wie ist die schnellstmögliche Route? Kann Fujitsu da mit seinem Digital Annealer auch in der Hafenlogistik helfen?

Wir haben so was tatsächlich schon gemacht. Unser ältestes Beispiel ist eine Optimierung bei der japanischen Post, wo wir tatsächlich auch die Verteilung der Pakete optimiert haben, oder in den USA. Dort haben wir die Verteilung von medizinischen Gütern wie zum Beispiel Schutzanzügen, Masken und ähnlichem optimiert. Die mussten jeweils vom Zentrallager in ganz unterschiedliche Bereiche geliefert werden. Das ist zum Einen natürlich Kosteneffizienz. Zum Anderen bietet es auch eine gewisse Sicherheit für die Menschen vor Ort, dass Dinge just-in-time ankommen, egal ob es jetzt für die Produktion ist oder eben für das medizinische Personal.

Im Bereich des Güterverkehrs hat die Deutsche Bahn ja ein riesiges Netz zu managen. Ihr ging es darum, Züge optimal zusammenzustellen und Güterwaggons flexibel vorzuhalten. Auch dort war Fujitsu als lösungsorientierter Partner gefragt. Schildern Sie uns doch bitte beides Problem und Lösung.

Bei dem Projekt mit der Deutschen Bahn ging es darum, festzustellen oder zu optimieren, wo und wie die Deutsche Bahn Güterwaggons und Güterzüge durchs Land schickt und auch vorhält. Normalerweise werden Güterwaggons nämlich von Unternehmen ein Jahr im Voraus gebucht. Und natürlich gibt es immer wieder Unvorhergesehenes, das dazu führen kann, dass Unternehmen einen höheren oder niedrigeren Bedarf haben. Um dieses Problem zu lösen, haben wir mit dem Annealer und unseren Algorithmen das Ganze betrachtet und eine Optimierung gefunden.

Das wäre natürlich auch eine Möglichkeit für die Bahnunternehmen der HHLA, um ihre Züge, den Zugverkehr, den Transport von Waren zu optimieren. Man muss allerdings zu jeder Optimierung Aufgabe sagen: Wir brauchen eine gewisse Größe. Wenn ich nur fünf Möglichkeiten habe, etwas zu optimieren, dann kann ich das im Kopf machen und brauche gar keinen Computer. Also egal, ob Quanten- oder klassischer Computer.

Die wichtigsten IT-Systeme der Hafenwirtschaft sind miteinander vernetzt und befinden sich permanent im Datenaustausch. Aber wenn Ihr Unternehmen helfen soll, so komplexe Systeme wie weltweite Lieferketten zu optimieren, gibt es dann überhaupt die passenden Schnittstellen, um alle benötigten Daten zu erheben und in einer einheitlichen Form aufzubereiten?

Datenformate und Datenschnittstellen sind ein ganz, ganz großes Thema. Wir haben natürlich weltweit ein riesiges Sammelsurium an möglichen verfügbaren Daten und wissen, wie diese aufgebaut sind, wie sie aussehen und auch, wie vollständig sie sind. Manche Unternehmen haben riesige Datensätze, die extrem vollständig sind, andere eben nur Bruchstücke davon.

Also wir müssen Daten in jedem Fall, bevor wir sie benutzen können, lösungsorientiert aufbereiten. Also schauen, was wir damit erreichen wollen, und dementsprechend Schnittstellen bauen oder eben die Daten voher bereinigen. Das ist auch ein ganz weites Arbeitsfeld, in dem Data Scientists zum Einsatz kommen.

Jetzt könnte ich mir vorstellen, dass Sie bei der HHLA oder anderen Hafenunternehmen aus dem Logistikbereich Interesse an einer Zusammenarbeit bei bestimmten Fragestellungen geweckt haben. Wie läuft eine Partnerschaft mit Ihrem Unternehmen eigentlich ab? Sie verkaufen ja nicht einfach einen Rechner mit einem patentierten Quanten-Chip und sagen dann: Macht mal!

Das ist korrekt, das machen wir tatsächlich nicht, sondern jede Zusammenarbeit beginnt mit Beratung. Wir schauen zusammen, welche Probleme das Unternehmen hat und welches dieser Probleme sich tatsächlich anbietet, auf dem Digital Annealer gelöst zu werden. Dann werden die einzelnen Probleme qualifiziert. Man schaut immer: Welches Verbesserungspotenzial gibt es auch?

Ich hatte es schon erwähnt: Wir brauchen eine bestimmte Größe, um sinnvoll zu arbeiten. Und dann wird in einem „Proof of Concept“ dieses Problem einmal rechnerisch durchgespielt. Wir entwickeln die Algorithmen dazu und diskutieren dann natürlich gemeinsam mit dem Unternehmen, wie man das optimieren kann. Aber auch, wie die Anforderungen an die Realität sind, ob das nötig ist, ob sie es brauchen und wie sie das vielleicht einsetzen können.

Frau Tumescheit, Sie haben etwas geschafft, was nicht mal mein alter Physiklehrer zustande gebracht hat, weil er davon noch nichts wissen konnte. Sie haben mir das Gefühl gegeben, dass ich zumindest im Ansatz etwas über die Zukunftstechnologie der Quantenrechner und ihre Anwendungsmöglichkeiten verstanden habe. Ich danke Ihnen für das anregende und informative Gespräch.

Das Interview führte Oliver Driesen.

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Aktualisiert am 19.04.2022.

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