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Wasserdampf wird als einziges „Abgas“ aus dem Auspuff kommen, wenn es nach der HHLA und ihren Partnern geht. Van-Carrier, Lkw, Zugmaschinen und anderes Schwerlastgerät sollen im Hamburger Hafen künftig mit Wasserstoff betrieben werden. Das steht als Ziel im Mittelpunkt des Innovationsclusters Clean Port & Logistics.
24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche transportieren Van-Carrier Container auf den HHLA-Terminals zwischen Schiffen und Lager. Bei einigen reduzieren Hybrid-Antriebe den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlenstoffdioxid im Vergleich um etwa 50 Tonnen pro Fahrzeug und Jahr. Das ist nicht wenig, aber für Dr. Georg Böttner nicht genug. Der Leiter Vorstandsprojekte setzt mit seinem Team auf den Einsatz von Wasserstoff - kurz H2 genannt - als künftigen Energieträger im Hafenbetrieb.
Schon ab 2023 sollen eine Zugmaschine und ein Leercontainerstapler mit H2-Antrieb in der Praxis getestet werden. Weitere Geräte müssen folgen, denn der HHLA-Betrieb soll klimaneutral werden. Das ist ein klares Unternehmensziel. Wasserstoff könnte dabei zum Ersatz für fossile Energieträger wie Diesel oder Flüssig-Erdgas (LNG) werden.
Sofern das gasförmige Element H2 mit Strom aus nachhaltigen Quellen erzeugt wird, ist der Energieträger klimaneutral. Durch Oxydation entsteht aus H2 und O2 nur Wasserdampf, also H2O. Allerdings gibt Wasserstoff seine Energie in der Regel über den effizienteren Weg einer Brennstoffzelle ab. Solche Lösungen im praktischen Einsatz zu testen, hat sich das Innovationscluster Clean Ports & Logistics (CPL) im Hamburger Hafen vorgenommen.
„Wir verfügen bereits über gute Erfahrungen zum Thema Elektromobilität“, erläutert Georg Böttner. „Geht es aber um das Heben und Senken schwerer Lasten, kommen jene Geräte mit Batterieantrieb schnell an ihre Grenzen.“ Dazu zählen zum Beispiel Van-Carrier oder Reachstacker für den Terminaleinsatz.
In Brennstoffzellen gehen ein Brennstoff und ein Oxidationsmittel - gewöhnlich Wasserstoff und Sauerstoff - eine Synthese ein. Dabei wird elektrische Energie direkt freigesetzt.
Deswegen ist der Wirkungsgrad höher als bei einem von einem Verbrennungsmotor angetriebenen Generator.
Als Endprodukt entsteht Wasserdampf. Im Prinzip handelt es sich um eine Umkehrung der Elektrolyse, bei der Wasser mit Hilfe von elektrischer Energie in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird.
Die Funktionsweise wurde bereits 1838 erkannt. Allerdings gibt es erst seit den 1990er Jahre ernsthafte Anstrengungen, Brennstoffzellen als Energiequelle für Autos oder Schiffe zu nutzen.
Die Prototypen werden sich in der normalen Praxis beweisen müssen. Das von der HHLA initiierte CPL-Testcenter wird auf dem HHLA Container Terminal Tollerort (CTT) eingerichtet. Dort stehen auch viele weitere Themen auf der Forschungsagenda, beispielsweise die Betankung der Fahrzeuge mit Wasserstoff. Böttner geht es nicht nur um technische Aspekte: „Viele Abläufe wie beispielsweise das Betanken der Fahrzeuge werden sich verändern.“ Deswegen hat CPL auch Fortbildungskomponenten. Das Projekt wird zeigen, wie und zu welchen Themen die Beschäftigten für die Arbeit im klimaneutralen Hafen geschult werden müssen.
„Unser Betrieb muss reibungslos funktionieren“, betont Böttner, „das ist die wichtigste Anforderung, die für künftige Technologien genauso gilt wie für die jetzt bereits eingesetzten.“ Die Bestrebungen der HHLA passen perfekt in die Wasserstoff-Strategie der Küstenländer, in der Hamburg eine der treibenden Kräfte ist.
In ganz Deutschland wächst die Zahl der Forschungsvorhaben mit dem Ziel, herkömmliche Kraftstoffe durch Hydrogen - so die englische Bezeichnung - zu ersetzen. Doch in Hamburg setzt man bereits konkrete Wasserstoff-Großprojekte auf. Für die kommenden fünf Jahre will die Hansestadt für Investitionen ein Gesamtvolumen von 1,1 Mrd. Euro bereitstellen, davon 520 Mio. Euro Fördermittel vom Bund und der EU.
„Wenn man die Klimawende ernsthaft will, kommt man am Thema Wasserstoff nicht vorbei“, ist der parteilose Hamburger Wirtschaftssenator Michael Westhagemann überzeugt. Für das große Engagement in Sachen Wasserstoff bringt Hamburg neben dem politischen Willen eine perfekte Voraussetzung mit: das bisherige Kraftwerk Moorburg am Rand des Hafens.
Im einst modernsten deutschen Steinkohlekraftwerk soll künftig H2 produziert werden. Zunächst im kleinen Maßstab: Ab 2025 will der bisherige Kraftwerksbetreiber Vattenfall dort einen 100-Megawatt-Elektrolyseur in Betrieb nehmen. Diese Anlage stellt mit Hilfe von Strom aus Windkraftanlagen „grünen“ Wasserstoff her. „Es ist aber klar, dass es nicht bei 100 MW bleibt“, sagt Markus Pitz, Leiter der Stabsstelle Wasserstoffwirtschaft im Wirtschaftsressort. Der Wachstumskurs ist bereits definiert.
Mit den Projektpartnern Shell, Mitsubishi Heavy Industries und dem Netzbetreiber Wärme Hamburg will Vattenfall das Kraftwerk zum „Hamburg Green Hydrogen Hub“ ausbauen. Der Standort ist über eine 380-kV-Leitung an das europäische Stromnetz angeschlossen. So könnte der Ökostrom aus den Windparks in Nord- und Ostsee zur Wasserstoff-Produktion nach Hamburg geleitet werden. Parallel zu den Vattenfall-Plänen bereitet das Quickborner HanseWerk den Bau eines 25-Megawatt-Elektrolyseurs im Hafen vor. Das Energieunternehmen will 1,3 Milliarden Euro investieren und den ebenfalls „grün“ erzeugten Wasserstoff an Industriekunden liefern.
Neben solchen Erzeugern hat sich auch auf Abnehmerseite ein Firmen-Netzwerk gebildet, dem neben der HHLA unter anderem Airbus Industries, das Hamburger Stahlwerk von Arcelor Mittal oder die Kupferhütte Aurubis angehören. Die Flugzeugbauer experimentieren mit Wasserstoff für das klimaneutrale Fliegen, die Stahlkocher von Arcelor wollen ihre Kohlendioxid-Emissionen auf Null bringen. Auch dafür könnte Wasserstoff die saubere Energie liefern. Und Aurubis will für seine Produktion Ammoniak testen, das als Wasserstoff-Speicher eingesetzt wird.
Zum künftigen breiten Einsatz von Wasserstoff kann die HHLA mit der Kompetenz als Hafen- und Logistikspezialist beitragen. „Aufgrund des hohen Energiebedarfs wird Deutschland seinen Wasserstoff nicht komplett selbst produzieren können“, ist Böttner überzeugt. Ein großer Teil wird zunächst nicht als reiner Wasserstoff, sondern in Form von H2-Methanol oder H2-Ammoniak per Schiff geliefert. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat bereits entsprechende Lieferoptionen unter anderem mit den Vereinigten Arabischen Emiraten vereinbart. Es ist auch schon ein Testlauf geplant, um das aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kommende Ammoniak durch die HHLA im Hafen umzuschlagen.
Für den Geschäftsführer der Handelskammer Hamburg, Malte Heyne, sind die beteiligten Projektpartner bereits jetzt „Pioniere für den Aufbau von Importstrukturen am Wasserstoff-Standort Hamburg“. Im Rahmen dieser Importstrukturen will die HHLA eine wesentliche Rolle spielen, die über die Aktivitäten im Hafen hinausgehen soll.
Das international operierende Logistikunternehmen verfügt über umfangreiche Kompetenzen für den Umschlag und den just-in-time Transport von containerisierten Gasen, tiefgekühlten Flüssigkeiten und anderen potentiellen H2-Trägerstoffen ins Binnenland. Die HHLA-Tochter Metrans kann das klimaneutral mit der Bahn erledigen, was die Nachhaltigkeit des Energieträgers noch erhöhen würde.
„Das Stichwort lautet Dekarbonisierung der Logistik“, betont die HHLA-Vorstandsvorsitzende Angela Titzrath und zeigt sich überzeugt: „Der Hafenumschlag und die Schwergutlogistik werden ihren Beitrag zum Klimaschutz und zur Verbesserung der Lebensqualität in Ballungsräumen leisten.“ Die im Hafen entwickelten und erprobten Anwendungen können dann an anderen Stellen entlang der Logistikkette angewendet werden.
Veröffentlicht am 5.8.2022