„Autonomes Fahren wird kommen“

Im Gespräch mit Till Schlumberger und Sebastian Völl, den Projektleitern von Hamburg TruckPilot bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und MAN Truck & Bus.

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Herr Schlumberger, was sind die größten Herausforderungen, wenn ein autonom fahrender Lkw im laufenden Betrieb auf dem CTA-Gelände unterwegs ist?
Der HHLA Container Terminal Altenwerder ist durch seine hoch automatisierten Prozesse das ideale Testumfeld, um zukunftsträchtige Technologien zu erproben. Unsere Anlagen arbeiten allerdings 24/7 rund um die Uhr, an 360 Tagen im Jahr. Es ist also eine große planerische Herausforderung, neue Technologie in unsere Terminalprozesse zu integrieren, ohne den laufenden Betrieb zu stören. Wir haben am CTA bereits umfangreiche Erfahrung mit autonomen Fahrzeugen. Seit 20 Jahren transportieren hier sogenannte Automated Guided Vehicles die Container fahrerlos in einem abgeschlossenen Bereich zwischen Schiff und Blocklager. Der Einsatz von autonomen Lkw ist aber eine ganz andere Sache, denn dabei durchmischen sich autonome und klassische Verkehre. Bei den Tests mit den Prototypen-Lkw von MAN spielte deshalb von Beginn an vor allem das Thema Sicherheit für unsere Beschäftigten und andere Verkehrsteilnehmer auf unserem Terminal eine entscheidende Rolle.

Warum hat sich die HHLA trotzdem dafür entschieden, beim „Hamburg TruckPilot“ mitzumachen?
Autonomes Fahren wird kommen! Darauf wollen und müssen wir uns als HHLA vorbereiten. Es liegt in der Natur der HHLA, sich frühzeitig und vorausschauend mit solchen Entwicklungen zu beschäftigen. Für uns stellt sich schon heute die Frage: Was bedeutet es für unsere Prozesse, wenn perspektivisch autonom fahrende Lkw vor dem Terminal stehen? Wie können wir auch weiterhin unsere Leistungsfähigkeit für unsere Kunden sicherstellen? Was bedeutet das für die Arbeitssicherheit? Welche technischen Voraussetzungen müssen geschaffen werden? Dabei wollen wir nicht nur reagieren, sondern die Entwicklung mit Pionierarbeit aktiv mitgestalten. Nicht umsonst hat es sich die HHLA auf die Fahne geschrieben, Motor des digitalen Wandels im Hafen zu sein.

Wurden Ihre Erwartungen an das Projekt erfüllt?
Ja, wir konnten viele wichtige Erkenntnisse sammeln. Die Herausforderungen sind jetzt deutlich klarer, auch wenn noch ein langer Weg vor uns liegt. Es hat sich aber auch gezeigt, dass es wichtig und richtig ist, dass wir uns so frühzeitig mit diesem Thema beschäftigen. Während der Projektlaufzeit hat der Bundestag einen Gesetzentwurf zum autonomen Fahren verabschiedet. Das ist eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft.

Wie empfanden Sie die Zusammenarbeit mit den MAN-Kollegen?
Ein großes Kompliment an alle Beteiligten. Das war eine sehr gute und professionelle Zusammenarbeit. Auf beiden Seiten bestand immer ein großes Verständnis für die jeweiligen Anforderungen und Herausforderungen. Insbesondere unter den Bedingungen der Corona-Pandemie und den damit verbundenen restriktiven Maßnahmen an unseren Terminalanlagen. Gerade vor diesem Hintergrund waren die abschließenden Praxistests ein großartiges und erfolgreiches Highlight.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse für die HHLA?​​​​​​​
Das wichtigste Fazit ist: Ja, es ist möglich, autonome Lkw in unsere Terminalprozesse zu integrieren. Mit dem Projekt Hamburg TruckPilot haben wir dafür eine erste Grundlage geschaffen. Wir stehen aber noch am Anfang. Die Sicherheit und damit verbundene Akzeptanz von autonomen Verkehren ist dabei ein wichtiger Aspekt. Sicherheitsstandards, die auf öffentlichen Straßen gelten, müssen auch für unsere Terminals gelten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die automatisierte Kommunikationsfähigkeit Terminal/Lkw, die Voraussetzung für die Integration autonomer Verkehre in unseren Betrieb ist. Nun gilt es daran weiterzuarbeiten, um fit für die autonome Zukunft zu sein.

Wie schätzen Sie persönlich die Rolle der Automatisierung in der Logistik in der Zukunft ein?
Viele Bereiche des Logistik- und Transportsektors stehen im Vergleich zu anderen großen Leitindustrien erst am Anfang nachhaltiger Veränderungen. Gründer und Start-ups entdecken die Logistik derzeit als oft noch unbestelltes Feld globalen Ausma es. Das bietet große Chancen für die HHLA. Nur wer offen für Veränderungen ist und den Mut hat, den Wandel aktiv zu gestalten, wird auch künftig am Markt bestehen können und erfolgreich sein. Dabei müssen wir neuen Technologien ohne Vorbehalte begegnen, um die Herausforderungen konsequent anzugehen. Das autonome Fahren und Hamburg TruckPilot sind dafür ein gutes Beispiel.

Herr Völl, wie haben Sie die Anfänge von „Hamburg TruckPilot“ vor drei Jahren in Erinnerung? Mussten Sie viel Überzeugungsarbeit leisten? Was waren für MAN Truck & Bus die Hürden im Vorfeld?
„Hamburg TruckPilot“ war für uns der Start ins automatisierte Fahren. Sowohl MAN Truck & Bus als auch der Volkswagen Konzern waren sich der Bedeutung dieser zukunftsweisenden Technologie schon früh bewusst. Daher hat dieses Projekt offene Türen eingerannt. Die Herausforderung bestand darin, sehr schnell zur technologischen Spitze aufzuschließen. Dieser einzigarte Wettlauf gelang uns zusammen mit der Volkswagen Group Innovation. Wir konnten die modernste Technologie zum automatisierten Fahren übernehmen und an den Lkw anpassen. Dafür haben wir führende Spezialisten zusammengebracht und ein hochkarätiges Expertenteam aufgebaut, das „Hamburg TruckPilot“ erfolgreich ins Ziel gebracht hat. Dieses Team wird auch zukünftig die zentrale Stütze für die Entwicklung des automatisierten Fahrens sein. Eine weitere Herausforderung bestand darin, dass wir von Anfang an nicht unter künstlichen Testbedingungen, sondern im laufenden Betrieb auf dem CTA gearbeitet haben. Daher mussten wir die Parameter jeweils vor Ort anpassen und unser Automatisierungssystem im Live-Betrieb entwickeln.

Verlief das Projekt aus Ihrer Sicht wie gewünscht?
Grundsätzlich lief das Projekt wie erhofft, erwartet und geplant: Wir konnten den Piloten im CTA darstellen. Die Corona-Pandemie hat den Zeitplan etwas verzögert und die Testbedingungen aufgrund von Hygieneauflagen noch herausfordernder gemacht, dennoch haben wir unser Ziel erreicht.

Wie haben die Leute vor Ort auf Ihre Arbeit reagiert?​​​​​​​
Wir fielen auf. Zum einen bei den anderen Lkw-Fahrern, weil wir mit der Automatikspur am Blocklager, die eigentlich für den Containertransport zwischen Terminal-Bahnhof und Lager reserviert ist, die vermeintlich falsche Spur verwendet haben. Und auch die Fahrer des internen ContainershuttleTransports beobachteten uns neugierig. Einige reagierten begeistert, andere waren eher skeptisch – die Erwartungen der Menschen an Automatisierung sind noch sehr unterschiedlich.

„Hamburg TruckPilot“ war nicht das erste Automatisierungsprojekt von MAN – auch nicht für Sie. Was machte das Projekt am Hamburger Hafen für Sie besonders?​​​​​​​
Die Atmosphäre im Hafen ist einmalig, es war ein tolles Umfeld, um unsere Automatisierungstechnik zu testen. Ich erinnere mich gerne daran, als unser Prototyp zum ersten Mal automatisiert in eine Blocklagerspur rangiert ist. Da haben wir gesehen: Es funktioniert, wir können die hohen Genauigkeitsanforderungen halten. Und als im erfolgreichen Pilotbetrieb der erste Container vom Chassis abgehoben hat, war das wie eine Befreiung!

Die Praxistestfahren verliefen erfolgreich. Welche Erkenntnisse nimmt MAN Truck & Bus aus Hamburg mit?​​​​​​​
Zum einen die Erkenntnis, dass unser Software-Ansatz in einem abgegrenzten Bereich wie im Hafen gut funktioniert. Auch haben wir Herausforderungen bei der Erkennung von Fahrspurbegrenzungen und bei der Agilität der Automatisierungssteuerung identifiziert. Einen großen Sprung haben wir beim Rangieren in der Blocklagerspur gemacht, wo es sehr hohe Genauigkeitsanforderungen mit jeweils nur zehn Zentimeter Platz auf beiden Seiten gab: Das hat sehr gut und reproduzierbar funktioniert.

Wie verlief die Zusammenarbeit mit der HHLA?
Die Zusammenarbeit war jederzeit sehr wertvoll, einwandfrei und unkompliziert. Die HHLA hat trotz Corona-Pandemie alles möglich gemacht, damit wir weiter testen und das Projekt im laufenden Betrieb zu Ende bringen konnten. Auch wenn Umplatzierungen oder andere Aktionen auf dem Gelände nötig waren, wurden wir massiv unterstützt.

Wie sehen die weiteren Meilensteine auf MANs Automatisierungs-Roadmap aus?​​​​​​​
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Wir sind mit Platooning-Projekten und mit einer technisch reduziert komplexen Umgebung auf der Autobahn gestartet. „Hamburg TruckPilot“ war daher für uns der nächste richtige Schritt, weil wir die weiterentwickelte Automatisierungstechnik auf einem abgetrennten Gelände mit Zugangsbeschränkungen testen konnten, auf dem niedrige Geschwindigkeiten gefahren werden. Auf diesen Erfahrungen können wir jetzt aufbauen: Als Nächstes werden wir die Automatisierungstechnik zwischen Logistik-Hubs, auch auf der Autobahn und mit höheren Geschwindigkeiten, testen. Die aktuelle Gesetzeslage hilft uns dabei, dass wir das System gesetzeskonform entwickeln und im Hub-to-Hub-Verkehr einsetzen können.

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