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Georg Böttner kümmert sich bei der Hamburger Hafen und Logistik AG um die richtige Wasserstoff-Strategie. Im HHLA Talk geht es darum, wie Wasserstoff als Energieträger die Dekarbonisierung vorantreiben kann, und welche Chancen sich für die HHLA ergeben. Strategische Kooperationen und die Beteiligung an bundesweiten Projekten wie TransHyde wurden bereits auf den Weg gebracht. Hören oder lesen sie den HHLA Talk!
Wasserstoff ist ein vielseitiges Element und wird schon seit vielen Jahrzehnten in der chemischen Industrie als Grundstoff eingesetzt. Seit kurzem gilt er aber auch als Hoffnung, wenn es um die Energiewende geht. Deshalb wenden wir uns dieses Mal im HHLA Magazin dem Wasserstoff zu. Zu Gast haben wir Georg Böttner. Er kümmert sich bei der Hamburger Hafen und Logistik AG, also bei der HHLA, um die Wasserstoff-Strategie. Georg, erzähl uns doch mal, wie du zu diesem spannenden Job gekommen bist.
Bis ich zu diesem spannenden Job gekommen bin, das war ein längerer Weg. Ich bin seit 2004 im Hamburger Hafen unterwegs, in diversen Funktionen, vom Rechtsanwalt über Geschäftsführer einer Energie-Handelsgesellschaft bis hin zum Geschäftsführer einer Servicegesellschaft und eines Containerterminals. Insofern habe ich einen ganz guten Überblick, was hier im Hamburger Hafen so läuft.
Wasserstoff kann als Energieträger zur Dekarbonisierung der HHLA beitragen. Die Distribution von Wasserstoff ist auch eine Wachstumschance für das Unternehmen.
Dann können wir ja gleich mit der Kernfrage anfangen: Was macht Wasserstoff eigentlich als Energieträger so attraktiv, dass jetzt alle darüber reden?
Das ist ein weites Feld und eine große Frage. Ich versuche es mal kurz einzugrenzen. Wir haben uns im letzten Jahr einiges vorgenommen in Sachen Energiewende. Wir wollen aus der Atomenergie aussteigen. Wir wollen die Kohlekraftwerke abschalten. Wir wollen fossile Energieträger insgesamt zurückfahren. Und all das muss in einer Industrienation bewerkstelligt werden. Da hilft es natürlich, große Teile zu elektrifizieren. Aber ich denke auch an die Stahlindustrie, an die Chemieindustrie und besonders an den Schwerlastverkehr, der auf einen stofflichen Energieträger angewiesen ist. Das Schöne an Wasserstoff ist, dass er unheimlich vielseitig einsetzbar ist, in vielen Industrien, und ein Grundstoff für ganz viele Produkte ist. Das macht ihn so interessant.
Du hast es eben schon angesprochen. Die HHLA muss als Hafen- und Logistikunternehmen viele schwere Lasten transportieren, hauptsächlich Container. Hat ein Antrieb wie Wasserstoff hier Vorteile gegenüber Elektrofahrzeugen?
Das hat er, und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Zum Einen haben wir uns, das heißt Deutschland und die Europäische Union, unheimlich viel vorgenommen in Sachen Energiewende. Und das bedeutet, dass wir unheimlich viel elektrifizieren wollen: den Individualverkehr, die Heizungen in Wohnungen.... Wir wollen einfach auf grünen Strom umstellen. Aber wir wissen alle, dass unsere Stromnetze schon jetzt massiv belastet sind und wir immer wieder in Situationen laufen, wo wir nicht die volle Leistung der erneuerbaren Energien abrufen können. Hier hat Wasserstoff Vorteile, weil er ein Pufferstoff ist für diese Energieträger. Gerade für Unternehmen in der Logistik, beim Schwertransport kann er 24/7 an 365 Tagen im Jahr zur Verfügung stehen.
Vielleicht kannst du uns an dieser Stelle mal erklären, was der Unterschied zwischen einem Wasserstoffantrieb und einem Brennstoffzellenantrieb ist?
Wasserstoff kann als Energieträger in vielen Formen zum Vortrieb genutzt werden. Bei einer Brennstoffzelle wird Wasserstoff in elektrischen Strom umgewandelt, der dann einen elektrischen Motor antreibt. Man kann Wasserstoff aber auch verbrennen und in einem normalen Verbrennungsmotors nutzen.
Ökologische, soziale und wirtschaftliche Interessen zu vereinen – diesen Anspruch unterstreicht unsere Nachhaltigkeitsstrategie unter dem Leitmotiv Balanced Logistics.
Mehr erfahrenDa wird also im Fahrzeug Wasserstoff genutzt, um elektrische Energie zu erzeugen, und die ist wiederum einsetzbar, um zum Beispiel vier kleine Elektromotoren anzutreiben. So muss weniger Energie aufgewendet werden, um z.B. einen Lkw zu bewegen.
Genau so! Es fehlen die ganzen Reibungsverluste durch Getriebe oder lange Antriebsstränge, weil der Antrieb direkt an der Achse erfolgen kann. Das heißt, wir kombinieren hier die Vorteile eines elektrischen Antriebes mit den Vorteilen eines stofflichen Energieträgers. Nämlich schnelles Tanken und relativ große Reichweite, unabhängig vom Zustand unserer Stromnetze.
Wir nutzen also die neue Technologie Brennstoffzelle, um auf unseren Terminals die Schwerlasttransporte bzw. die Containertransporte zu dekarbonisieren.
Wir arbeiten bei der HHLA in viele Richtungen. Bei den AGV, also den automatischen Containertransportern, nutzen wir elektrische Energie. Aber zum Beispiel im Bereich der Straddle bzw. Van Carrier sind die Energiebedarfe nochmal deutlich größer als bei den anderen Fahrzeugen, weil hier nicht gefahren wird, sondern auch gehoben und gesenkt. Da sieht es zurzeit danach aus, dass Wasserstoff eine sehr gute Alternative ist.
Praktisch gefragt: Gibt es da schon Hersteller, mit denen wir kooperieren?
Ja, wir sind seit gut einem Jahr unterwegs und verbinden uns mit ganz vielen Herstellern, nicht nur von Schwerlastgeräten. Wir wollen mit denen gemeinsam die Vorteile, die wir aus theoretischen Betrachtungen kennen oder zu kennen meinen, im praktischen Betrieb erproben. Wie gesagt, das ist nicht nur auf Fahrzeuge beschränkt, sondern es geht bis hin zu Airbus. Mit denen reden wir auch über eine Kooperation bei Ausbildungsfragen und versuchen etwas gemeinsam zu unternehmen, um die neue Wasserstoffwirtschaft nach vorne zu bringen.
Ja, die neue Wasserstoff Wirtschaft ist natürlich mehr als nur Containertransport. Da gibt es auch für die HHLA noch ganz andere Perspektiven.
Das sehen wir absolut genauso. Die HHLA hat eine Kernkompetenz im Bereich Umschlag und Logistik. Deshalb haben wir uns am Beginn unserer Aktivitäten intensiv die Frage gestellt: Wie können wir als HHLA mit unseren Kompetenzen einen Beitrag leisten zur Energiewende. Und wir haben viel gefunden! Wir haben Umschlagsanlagen gefunden. Wir haben ein Netzwerk gefunden, auf dem wir Lasten und Container bis ins Hinterland transportieren. Und wenn ich Hinterland sage, meine ich Zentren in Industrieregionen, wo sich ein riesiger Wasserstoffbedarf entwickeln wird - unserer Überzeugung nach. Das macht es einfach sehr sinnvoll, dass wir uns mit dem Feld beschäftigen.
Das heißt, wir könnten uns auch vorstellen, uns im Bereich Lagerung, Umschlag und Transport von Wasserstoff zu etablieren.
Genau. Wir sind in dem Bereich stark vertreten. Wir haben eines der größten europäischen intermodalen Netzwerke. Wir haben diverse Standorte. Wir betreiben über 600 Ganzzüge, die quer durch Europa fahren, jede Woche. Das macht uns so schnell keiner nach. Wir haben ein Netzwerk von Terminalstandorten in Verbraucherregionen wie Hamburg, Triest oder Tallinn. Aber wir haben auch Standorte in Erzeugerregionen wie z.B. Odessa. Und all das lässt sich zu einem guten Paket zusammenbinden.
Ja, das hört sich nach ziemlich vielen Projekten an, die bei der HHLA gleichzeitig angegangen werden. Könnte es auch sein, dass einige davon letztlich nicht umzusetzen sind?
Wenn einer von uns die Glaskugel hätte, um in die Zukunft zu gucken - und wir reden hier über das Jahr 2040 oder 2050 - dann wäre das ein gemachter Mann oder eine gemachte Frau. Natürlich wird es auf dem Weg in diese Wasserstoffwirtschaft viele Irrungen und Wirrungen geben. Das ist auch ein Grund, warum wir uns in einem breiten Netzwerk verbunden haben mit Herstellern, mit Erzeugern, aber auch mit Regierungsstellen wie z.B. dem Bundesforschungsministerium, um die Risiken, die aus einer solchen Entwicklung entstehen, auch zu abfedern zu können.
Das bedeutet, dass wir uns auch an Förderprojekten beteiligen. Und in diesem Feld gibt es im Moment eine ganze Reihe von Förderungen aus den verschiedensten Töpfen.
Ich möchte hier nur ein Beispiel anführen Wir sind Teil des TransHyDE-Projekts, wo es genau um unsere Kernkompetenzen geht, unter anderem um die Lagerung, den Umschlag und den Transport von Wasserstoff in Trägerstoffen. Und das ist etwas, wo wir einen Beitrag leisten werden.
Auch bei den Trägersubstanzen gibt es noch viel zu forschen. Welche Substanzen könnten das aus deiner Sicht sein? Ich habe häufig von Ammoniak gehört, oder was gibt es da sonst so?
Es gibt die sogenannten organischen Wasserstoffträger LOHC. Dann ist Ammoniak im Gespräch, aber auch Methanol. Keine Trägersubstanz, aber auch möglich wäre flüssiger Wasserstoff. Während andere schweißnasse Hände kriegen, wenn Sie an den Umgang mit diesen Stoffen denken, können wir sagen: Wir machen das schon. Und nicht erst seit gestern, sondern wir machen es seit Jahrzehnten.
Letztendlich wäre sogar denkbar, Waserstoff wie bisher schon verschiedene Gefahrgüter im Container zu transportieren.
Es wird Teil der Untersuchungen sein, wie wir das vorantreiben können.
Nicht nur die HHLA, auch Hamburg, Deutschland und die EU haben eine Wasserstoffstrategie. Es sieht also so aus, als wäre Europa bei dieser Technologie mal ganz vorne dabei. Oder täuscht das?
Deutschland ist in Europa einer der Vorreiter im Bereich Wasserstoff. Wir waren eines der ersten Länder, was eine Wasserstoffstrategie verabschiedet hat. Norddeutschland - und ich rede hier über die fünf Küstenländer - hat mit der norddeutschen Wasserstoffstrategie auch seinen Beitrag geleistet. Da hat Senator Westhagemann aus der Wirtschaftsbehörde einen ganz erheblichen Anteil daran, weil er Wasserstoff sehr gepusht hat. In Hamburg, aber auch in ganz Norddeutschland. Nach Deutschland sind sämtliche europäischen Länder auf den Zug mit aufgesprungen. Wir haben praktisch in jedem europäischen Land Milliarden von Fördersumme, die in Wasserstoff investiert werden sollen. Auch die Europäische Kommission hat im Rahmen ihres Green Deals Wasserstoff als einen wesentlichen Energieträger identifiziert. Allerdings muss man sagen, dass auch die Chinesen sehr früh und - wie die Chinesen das so machen - staatlich gelenkt und mit großem Engagement in dem Bereich unterwegs sind. Und auch unsere amerikanischen Freunde sind seit Jahrzehnten aus ganz anderen Gründen im Bereich Wasserstoff unterwegs. Insofern können wir nicht sagen, dass wir Vorreiter sind. Aber wir haben eine gute Startposition, und es ist wichtig für uns, dass wir diese auch nutzen.
In Hamburg gibt es - Du hast es gerade angesprochen - Herrn Senator Westhagemann, der das Thema Wasserstoff mit persönlichem Engagement voranbringt. Und es gibt hier auch sehr viele Projekte, die sich etabliert haben, Entwickelt sich an der Elbe gerade ein Wasserstoff-Cluster mit internationaler Ausstrahlung?
Ich denke schon, dass sich das entwickelt. Wobei man die Beurteilung immer erst hinterher machen sollte. Aber eins ist richtig: Hier entwickelt sich unheimlich viel. Wir haben im Rahmen eines europäischen Vorhabens, der sogenannten IPCEI Projekte, einen Wasserstoff-Verbund gegründet, der sich mit der Erzeugung, der Anwendung von Wasserstoff in der Luftfahrt und in der Logistik bis hin zum Transport von Wasserstoff beschäftigt. Und auch hier zeigt sich wieder, dass man in Hamburg auf engem Raum einfach fast alles untersuchen und machen kann. Das ist einer der großen Vorteile dieser Region. Und das wird meiner Meinung nach auch dazu führen, dass sich hier ein Cluster herausbildet.
Das könnte ja wirklich eine ganz herausragende Zukunftsperspektive sein, hier auch für die Region um den Hafen herum. Glaubst du, dass die HHLA dabei eine wesentliche Rolle spielen wird?
Ich denke, wir haben alle Voraussetzungen dafür. Über unser Netzwerk und unsere Umschlagterminals habe ich schon gesprochen. Was ich aber noch nicht erwähnt habe - und das ist unser größter Schatz - sind unheimlich viele gut qualifizierte Mitarbeiter. Diese Mitarbeiter können in Zukunft im Bereich Wasserstoff eingesetzt werden, im ganzen Bereich Wartung und Technik, der auch gerade in einem Umbruch ist. Wir können Mitarbeiter gut qualifizieren, von fossilen Energieträgern hin zu Brennstoffzellen-Technik, und den Strukturwandel im Hafen durch den Einsatz dieser neuen Technik befördern. Damit werden wir Hamburg insgesamt als Wirtschafts- aber auch als Hafenstandort stärken.
Veröffentlicht: 22.06.2021