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Binnenschiffe verursachen im Vergleich zum Lkw deutlich weniger Emissionen, sind der leiseste Verkehrsträger und gelten als besonders leistungsfähig. Viele verbinden mit der Binnenschifffahrt den Rhein, dabei spielt sie auch auf der Elbe mit dem angrenzenden Netz von Wasserstraßen eine sehr wichtige Rolle. 2021 wurden mithilfe von 11.000 Binnenschiffen knapp sieben Millionen Tonnen und rund 123.000 TEU (Standardcontainer) von und zu den rund 100 Liegeplätzen im Hamburger Hafen transportiert. Erfahren Sie mehr darüber, wie die Binnenschifffahrt funktioniert und vor welchen Herausforderungen sie steht.
Viele Güter können aus Kapazitäts- und Kostengründen nicht oder nur schwer mit anderen Verkehrsträgern als dem Binnenschiff transportiert werden. Wasserstraßen sind unverzichtbar, zum Beispiel für den Hamburger Hansaport, an dem die HHLA beteiligt ist. Deutschlands größtes Seehafenterminal für Schüttgüter bewegt mehr als 10 % des gesamten Hamburger Hafenumschlags, pro Jahr etwa 15 Mio. Tonnen an eingehender Tonnage. Der Weitertransport erfolgt ausschließlich per Binnenschiff oder Bahn.
Im Modal Split des Hamburger Hafens, also bei der Verteilung der Gütermengen auf die Verkehrsträger im Hinterlandverkehr, kam das Binnenschiff im vergangenen Jahr in Tonnen auf einen Anteil von 7,6 Prozent, bei den Containern auf 2,4 Prozent. Hamburg ist schließlich nicht nur Deutschlands größter Seehafen, sondern nach Duisburg und Köln auch der drittgrößte deutsche Binnenhafen – und darüber hinaus der größte Binnenhafen im Elbstromgebiet. Meist kommt die Ladung aus Deutschland oder Tschechien. Wie gut die Verbindungen in das gesamteuropäische Netz von Kanälen und Flüssen sind, zeigt die folgende Karte.
Mit 727 Kilometern ist die Elbe der längste schiffbare Fluss Deutschlands, noch vor dem Rhein, der zwar insgesamt 865 Kilometer lang, aber nur auf 695 Kilometern schiffbar ist. Das Potenzial der Elbe für den Gütertransport ist allerdings längst nicht gehoben. Das gilt auch für andere Wasserstraßen und zeigt sich an den Zahlen. 2021 lag der Anteil der Binnenschifffahrt an der Transportleistung des Güterverkehrs nur bei knapp sieben Prozent. Und das, obwohl die Kapazitäten auf Straßen und Schiene weitestgehend ausgeschöpft sind. Vielleicht liegt es daran,dassdie Bedeutung der Binnenschifffahrt zumindest in der breiteren Öffentlichkeit noch unterschätzt wird?
Bereits die vorige Bundesregierung wollte den Modal Split auf zwölf Prozent steigern. Nun rückt der Verkehrsträger mit seiner logistischen Bedeutung bedingt durch die Klima- und Energiekrise zunehmend stärker in den Blickpunkt. Im Koalitionsvertrag der derzeitigen Regierung heißt es: „Wir werden das Flottenerneuerungsprogramm für die klimafreundliche Binnenschifffahrt anpassen […]. Wir werden Sanierung und Ausbau von Schleusen beschleunigen.“
Dazu müssen Binnenwasserstraßen wie die Elbe allerdings an vielen Stellen besser schiffbar gemacht werden. Noch gibt es diverse Engpässe, wie das Schiffshebewerk Scharnebeck. In direkter Nachbarschaft wird daher die neue Schleuse Lüneburg errichtet, die als höchste Europas einen Höhenunterschied von 38 Metern ausgleichen soll. Bei einer Länge der Kammer von 225 Metern und einer Breite von 12,5 Metern können hier künftig auch die größten auf den Kanälen verkehrenden Binnenschiffe befördert werden. Bis dahin wird es allerdings etwas dauern. Nach heutigem Planungsstand sollen die Bauarbeiten frühestens 2026 beginnen.
Benötigt werden solche Verbesserungen im System dringend, denn es geht nicht nur um die Verlagerung von Transporten. Aufgrund der Gaskrise und der daraus folgenden Reaktivierung von Kraftwerken stiegen die Transportmengen deutschlandweit im ersten Halbjahr 2022 bei Kokerei- und Mineralölerzeugnissen im Empfang um 85 Prozent und im Versand um 28 Prozent.
Das betrifft auch Hamburg, wo seit Mitte August beispielsweise durch das zum tschechischen Energiekonzern EPH gehörende Steinkohlekraftwerk Mehrum erhöhter Bedarf besteht. Zudem wird die Raffinerie Leuna Rohöl benötigen und die Getreidetransporte per Binnenschiff ziehen an. Entsprechende Transportkonzepte unter Einbezug der Binnenschifffahrt werden derzeit diskutiert.
Großen Bedarf gibt es auch bei der Projektladung. Es wird immer schwieriger, übergroße oder sehr schwere Lasten auf deutschen Straßen zu transportieren. Das Binnenschiff bietet hier eine Alternative. Sogar Transporte bis ins Schwarze Meer sind auf der Wasserstraße möglich, wie ein Projekt der HHLA gezeigt hat.
Wegen fehlender Genehmigungen für die Straße musste eine Alternative gefunden werden, um Katzmaschinenhäuser für einen großen Kran (6,5 x 11 Meter groß und 50 Tonnen schwer) zum Terminal Burchardkai zu bekommen. Der Plan ging auf, und die Maschinenhäuser wurden aus der Slowakei vom Werk in Kechnec per Lkw nach Bratislava gebracht. Dort wurde ein Binnenschiff beladen, das über Donau, Main, Rhein, Mittellandkanal und schließlich über die Elbe nach Hamburg gelangte.
So positiv diese Nachrichten sind, darf nicht übersehen werden, dass Wasserstraßen regelmäßig mit schwankenden Pegeln zu kämpfen haben. Niedrigwasser führt dazu, dass Schiffe nur mit geringerer Zuladung fahren können, oder gar ebenso wie bei Hochwasser ganz in den Häfen bleiben müssen. In diesem Jahr führte etwa die Elbe schon ab Mitte Juni Niedrigwasser und auch am Rhein mussten tiefergehende Schiffe mancherorts die Abladung verringern.
Ob und wie schnell sich dieses Problem aufgrund des Klimawandels verschärft, ist noch unklar. Wie groß die Auswirkungen sein werden, hängt stark von den Erfolgen im Klimaschutz und den getroffenen Anpassungen ab. Doch auch im Fall eines erfolgreichen Klimaschutzes wird es weiterhin extreme Niedrigwassersituationen und -episoden geben.
Fest steht, dass eine durchgehende Fahrrinnentiefe von 1,60 Meter an 345 Tagen im Jahr die Zuverlässigkeit des Transportweges Elbe ausreichend sichern würde. Allerdings halten Umweltschutzverbände wie der NABU nur den Ausbau der Binnenschifffahrt auf künstlichen Wasserstraßen für sinnvoll. Obwohl die Elbe seit fast 200 Jahren vom Wasserbau geprägt wird, hält man selbst geringfügige weitere Ausbaumaßnahmen nicht mit der Wasserrahmenrichtlinie vereinbar. Vertiefungen führten nicht dazu, dass Flüsse in einen politisch gewollten „guten Umweltzustand“ gebracht werden, heißt es. Hier kollidiert also der Naturschutz mit dem Umweltschutz, der von den ökologischeren Transporten mit dem Binnenschiff profitieren würde.
Die Elbe (tschechisch Labe) ist ein europäischer Fluss, der in Tschechien entspringt, durch Deutschland fließt und in die Nordsee mündet. Sie ist der zwölftlängste Fluss in Europa und gehört zu den 100 längsten Flüssen der Welt. Da die Elbe nicht in einen anderen Fluss mündet, zählt sie als Strom. Der Fluss ist heute 1.165 Kilometer lang und besitzt ein Einzugsgebiet von etwa 148.000 Quadratkilometern.
Die damalige rot-grüne Bundesregierung hatte 2002 anlässlich des Jahrhunderthochwassers einen vorläufigen Ausbaustopp der Elbe beschlossen. Dieses Elbe-Moratorium sollte sicherstellen, dass die Elbe nicht nur als wichtiger Verkehrsweg im europäischen Wasserstraßennetz erhalten bleibt, sondern auch zu einem ökologisch wertvollen Bestandteil der Kulturlandschaft entwickelt wird. 2017 wurde es durch die Verabschiedung des Gesamtkonzeptes Elbe (GKE) abgelöst.
Fünf Jahre später sind die Meinungen dazu unterschiedlich. Aus Sicht der Wirtschaft geht die Umsetzung des Gesamtkonzeptes Elbe viel zu langsam voran. Nur kleinere Maßnahmen, die vereinzelt "Bottlenecks" beseitigen und vom NABU als umsetzbar eingeschätzt werden, seien in Planung, aber über den Planungsprozess bislang nicht hinausgekommen. Bauliche Veränderungen im Sinne der Schifffahrt seien bislang nicht erkennbar und kämen viel zu spät, heißt es seitens der Elbe-Allianz. Das gelte insbesondere im Vergleich zu den tschechischen Nachbarn, die die Elbe als ihren Zugang zur Nordsee gerne ertüchtigen wollen.
Jan Hendrik Pietsch, Leiter Nachhaltigkeit/ Energiemanagementbeauftragter bei der HHLA
Angesichts all dieser Herausforderungen ist es nicht einfach, den Verladern und Spediteuren das Binnenschiff als Alternative näher zu bringen. Die Attraktivität wächst aber, wenn der Blick des Kunden sich stärker auf nachhaltigen Transport richtet. Um diesen Aspekt zu unterstreichen, müssen moderne Antriebe und Steuerungskonzepte zum Einsatz kommen. Zwar ist der Verkehrsträger schon jetzt vergleichsweise umweltfreundlich, wie diese Tabelle zeigt: Umweltfreundlichkeit Binnenschiff im Vergleich zu Lkw und Bahn.
Doch die lange Lebenszeit der Schiffe mit Dieselmotoren bedingt entsprechende Emissionen von Stickoxid und Feinstaub. Das könnte zur Gründung von Start-ups in diesem Segment führen. Bisher nur ein Forschungsprojekt ist das Schubboot „Elektra“, das dank Brennstoffzellen völlig emissionsfrei fährt.
Binnenschiffe sind umweltfreundlich, aber das Schubboot „Elektra“ setzt noch höhere Maßstäbe. Es fährt dank Brennstoffzellen völlig emissionsfrei.
Fest steht, dass eine stärkere Digitalisierung unerlässlich und ein wesentlicher Treiber für die Zukunftsfähigkeit des Verkehrsträgers ist. Dazu beitragen könnten eine bessere Routenplanung und die damit verbundene präzisere Ermittlung von Ankunftszeiten (Estimated time of arrival, kurz ETA). Optimierungsmöglichkeiten gibt es zudem bei der Kommunikation zwischen Binnenschiff und Häfen. Wohin die Reise gehen kann, zeigt die kürzlich gegründete Initiative des belgischen Technologie- und Serviceanbieters Seafar.
Ihre neu entwickelte Technologie und ergänzende Services sollen die Binnenschifffahrt mit einer reduzierten Besatzung ermöglichen. Auch hierzulande arbeitet Seafar gemeinsam mit den Binnenschiffsreedereien HGK Shipping und Deymann an Konzepten für eine (teil-)autonome Binnenschifffahrt. Unter anderem investiert Seafar in ein Kontrollzentrum (Remote Control Center) in Duisburg, von dem aus ab dem ersten Quartal 2023 der operative Betrieb per Fernsteuerung auch in Deutschland möglich sein wird.
Auch zwei Unternehmen aus der HHLA-Gruppe tragen dazu bei, den umweltfreundlichen Verkehrsträger zu stärken. HPC Hamburg Port Consulting untersuchte im Auftrag der deutschen Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS), welche Informationssysteme für Häfen und Terminals die Digitalisierung Europäischer Binnenwasserwege vorantreiben können. Die Analyse der führenden Logistikberatung zeigte, wie viel Potenzial in Bezug auf die Digitalisierung der Prozesse zwischen Hafen und Binnenschiff noch gehoben werden kann. Und zur reibungslosen An- und Abfahrt der Binnenschiffe in Hamburg trägt das HVCC Hamburg Vessel Coordination Center bei, ein Gemeinschaftsunternehmen von HHLA und Eurogate.
Ein anderes Beispiel ist die Kombination von wasserstraßen- und verkehrsbezogenen Informationen aus 13 Ländern auf der Plattform Euris (European River Information Services) eurisportal.eu. Seit Ende September bietet das neue Webportal Schiffsführern und ihren Logistikpartnern an Land rund um die Uhr Echtzeitdaten für eine zuverlässige Routen- und Reiseplanung, insbesondere bei grenzüberschreitenden Fahrten.
Wie stark die überall in der Logistik spürbare Transformation und neue Geschäftsmodelle die eher traditionell ausgerichtete Binnenschifffahrt verändern werden, ist schwer absehbar. Und politisch muss sich noch zeigen, wie viel Geld die Regierungskoalition tatsächlich in eine Erneuerung der Binnenschifffahrt steckt. Denn eins ist klar: Nur mit Unterstützung aus Berlin wird es gelingen, mehr Ladung auf Bundeswasserstraßen und damit auch über den Hamburger Hafen zu verschiffen.
Der wichtigste Schritt wäre, dass die Politik endlich erkennt, dass die Binnenschifffahrt ein systemrelevanter und unverzichtbarer Partner in der Logistikkette ist und maßgeblich zur Versorgungssicherheit der großen Industriestandorte in Deutschland beiträgt, und auch dementsprechend handelt. Dies bedeutet konkret, dass genügend finanzielle Mittel im Bundeshaushalt bereitgestellt werden müssen, um die überalterte Wasserstraßeninfrastruktur zu ertüchtigen. Fahrrinnen, zum Beispiel an Rhein, Main und Donau, müssen optimiert werden, um vorhandene Engstellen im Wasserstraßennetz zu beseitigen und Schiffstransporte auch bei niedrigen Wasserständen besser planen und durchführen zu können. Schleusen müssen modernisiert und verlängert werden, um die Störanfälligkeit der Bauwerke deutlich zu reduzieren und die Wasserstraßen fit für die – von der EU und der Bundesregierung gewollte – Verlagerung von mehr Gütern auf das Binnenschiff zu machen.
Stattdessen beobachten wir derzeit mit großer Sorge das Gegenteil: Der aktuelle Haushaltsentwurf der Regierung für die Bundeswasserstraßen bedeutet eine signifikante Unterfinanzierung der Wasserstraßen um einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag, wodurch sich im Bundesverkehrswegeplan und dem Wasserstraßenausbaugesetz verankerte wichtige Infrastrukturprojekte, die erwiesenermaßen einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen haben, weiter verzögern werden. Wir fordern daher von der Bundesregierung, den Wasserstraßenetat auf ein auskömmliches Niveau anzuheben, die zuständige Bundeswasserstraßenverwaltung personell besser auszustatten und die im Verkehrswegeplan verankerten Wasserstraßenprojekte mit Top-Priorität umzusetzen. Es ist ein verheerendes Signal, bei der Binnenschifffahrt als umweltfreundlichem Verkehrsträger, ohne den die ambitionierten Klimaziele im Verkehrssektor nicht zu erreichen sind, den „Rotstift“ anzusetzen.
Die viel zu langen Planungs- und Realisierungszeiträume für Infrastrukturprojekte sind weiterhin ein massives Problem. Seit der Wiedervereinigung wurden über zehn neue Planbeschleunigungsgesetze auf den Weg gebracht, leider haben diese den Flussausbau in keiner Weise beschleunigt. Dabei zeigen die Planungs- und Realisierungszeiträume bei den LNG-Terminals in Wilhelmshaven sehr eindrucksvoll, dass bei einem höheren Interesse Planungsläufe extrem beschleunigt werden können – und bei uns bedroht die Ausrichtung der Bundesgartenschau 2029 im Mittelrheintal die für Schifffahrt und Industrie so wichtige Umsetzung der Abladeoptimierung zwischen St. Goar und Mainz.
Diese falsche Prioritätensetzung ist auch Gift für Großunternehmen. Es drohen ein Einbruch der Aufträge, der Verlust von Arbeitsplätzen und Abwanderungen. Die Politik muss endlich den Dauerschlaf beenden, denn sie hat die verdammte Pflicht, dieses Land endlich voranzubringen und nicht weiter den Abstieg in Form einer zunehmenden De-Industrialisierung zu gestalten.
Für den Bereich der Infrastruktur dürfte, die massiven Preissteigerungen der vergangenen Monate noch nicht berücksichtigt, der Bedarf für Unterhalt- und Ausbaumaßnahmen an den Bundeswasserstraßen bei mindestens einer Milliarde Euro pro Jahr liegen. Eine weitere große Herausforderung für das Gewerbe ist das „Greening“ der Binnenflotte. Um bis zum Jahr 2050 eine annähernd klimaneutrale Flotte zu erreichen, hat die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt in einer Studie einen Bedarf von durchschnittlich rund fünf Milliarden Euro errechnet. Diese Größenordnung zeigt, dass die mittelständisch geprägte Binnenschifffahrt bei der Umrüstung auf sogenannte „zero emission“-Antriebe dringend auf Unterstützung in Form von attraktiven Förderprogrammen angewiesen ist. Das aktuelle Förderprogramm „Nachhaltige Modernisierung für Binnenschiffe“ des Bundesverkehrsministeriums fördert insbesondere Modernisierungsmaßnahmen in der Bestandsflotte. Um einen „Modernisierungsschub“ erreichen zu können, ist darüber hinaus jedoch eine attraktive Förderkulisse für den Bau neuer Schiffe notwendig.
Veröffentlicht im Dezember 2022