Ein Lagersystem, das mitdenkt

Ein modernes Containerlager ist nicht einfach eine Stellfläche, wie der Burchardkai zeigt: hohe Flächeneffizienz, schnelle Auslieferung mit Hilfe von KI und Betrieb mit Ökostrom.

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Das automatische Blocklager des HHLA Container Terminal Burchardkai (CTB) in Hamburg ist ein Pionierprojekt, das weltweit das Interesse von Fachleuten weckt. Es steht für technologische, logistische und ökologische Zukunfts­fähigkeit. Um seine Effizienz zu steigern, wird auch künstliche Intelligenz eingesetzt.

Majestätisch kommt der turmhohe Portalkran „LK 24 G“ herangerollt, wie ein riesiges Stahltor auf Schienen. Vollautomatisch senkt sich sein Greifmechanismus, der sogenannte Spreader, an Stahlseilen auf einen orangeroten 20-Fuß-Container. Zielgenau trifft er die Stahlbox, die der Fahrer eines Van-Carriers (VC) soeben vom Containerbahnhof geholt und abgestellt hat. Ab hier übernimmt LK 24 G. Die Bedeutung des Kürzels ist leicht zu merken: „Lagerkran von Block 24, Groß“.

„G“ ist tatsächlich der größte von drei Portalkranen, die den neuesten Lagerblock 24 gleichzeitig bedienen. Er wird den orangefarbenen Container computergesteuert in die lückenlosen Reihen gestapelter Kisten einbauen. Das weitestgehend automatisierte Lagerkransystem (LKS oder auch Blocklager) übernimmt den überwiegenden Teil der Containerlagerung auf dem HHLA Container Terminal Burchardkai (CTB). Es liegt genau zwischen dem Waltershofer Hafen mit den festgemachten riesigen Containerschiffen und dem Containerbahnhof, einem der größten Europas. Auf der Landseite sind auch die Spuren für Lkw zu finden. In jeden der aktuell 19 Blocks passen bis zu 2.100 TEU. Ein TEU entspricht einem 20-Fuß-Container.

Einzigartig: drei Portalkräne pro Lagerblock

Die Boxen im Blocklager müssen effizient, also zeit- und platzsparend für den Weitertransport bereitgestellt werden. Das ist Aufgabe des computergesteuerten LKS. Künstliche Intelligenz hilft dem System dabei, stets die voraussichtlich günstigste Abstellposition vorauszusehen.

"Portalkran ‚G‘ ist so hoch, dass er die etwas niedrigeren Krane ‚L‘ auf der Landseite und ‚W‘ auf der Wasserseite überfahren kann“, erklärt Gesa Witte, die stellvertretende Leiterin der Terminalentwicklung auf dem CTB. „So kann er die Landseite, das Blocklager selbst und die Wasserseite bearbeiten. Dieses Sytem mit drei sich überfahrenden Kränen ist weltweit einzigartig. In Kombination mit den beiden anderen Kranen auf ihrer jeweiligen Seite ermöglicht es besonders flexible Zugriffsmöglichkeiten.“

Terminalentwicklerin Gesa Witte vor einem der Lagerblöcke auf dem Hamburger Burchardkai.

Die HHLA mit ihrem Partner ABB ist die Erfinderin überfahrbarer Kräne im Blocklager. Den Containerterminal Altenwerder (CTA) mit eingerechnet, betreibt der Logistikkonzern heute mehr als 100 Lagerkräne mit der Automatisierungstechnik von ABB. Der CTB nutzt nicht nur als einziger Terminal der Welt drei Kräne pro Block, auch das bis zu sechs Container hohe Stapeln ist Rekord.

Effizienz der genutzten Fläche steigt um 30 Prozent

Die Blöcke 21 bis 24 wurden im Laufe des Jahres 2023 in Betrieb genommen. Die Installation folgte bewährten Routinen: sie wurden getestet, abgenommen und gingen in Betrieb. Kein Wunder, denn der Ausbau ist bereits Routine. Seit 2011 der erste Block (er erhielt die Nummer 6) auf dem Burchardkai in Betrieb ging, hat sich der Prozess bei allen Beteiligten bestens eingespielt.

Allein die vier neuen Blöcke bedeuten einen Zuwachs an Kapazität um rund 8.500 TEU, insgesamt bietet der CTB damit nun Platz für 39.000 TEU. Die Flächeneffizienz des Terminals stieg mit dem Ausbau des LKS um mehr als 30 Prozent. Das im Hamburger Hafen, wo der Raum knapp und jeder Quadratmeter besonders kostbar ist, besonders wichtig.

Auf dem Weg zur Klimaneutralität

Die Anschaffung der vier neuen Blöcke bringt aber nicht nur logistische, sondern auch ökologische Vorteile. Die HHLA will neben der Flächen- auch die Energieeffizienz im Hamburger Hafen erhöhen und so den Einsatz fossiler Energien und den Ausstoß von CO2 drastisch senken. Der Konzern hat sich das Ziel gesetzt, bis 2040 komplett klimaneutral zu arbeiten.

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Durch den Ausbau des Blocklagers werden wichtige Voraus­setzungen geschaffen. Da es elektrisch mit Ökostrom betrieben werden kann, müssen perspektivisch immer weniger der derzeit noch weit­verbreiteten diesel­betriebenen VC auf dem Burchardkai fahren. Allein dadurch sollen dem Klima pro Jahr mehr als 11.000 Tonnen CO2 erspart bleiben. Der CTB ist damit auf dem Weg, in Zukunft ein Zertifikat für Klima­neutralität zu erhalten. Ein Siegel, über das heute schon der HHLA-Terminal Altenwerder (CTA) verfügt. Das Projekt der Lagerblöcke 21 bis 24 am CTB wird deshalb durch Hamburgs Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) mit zehn Millionen Euro aus Sondermitteln der Europäischen Union gefördert.  

Weniger Van-Carrier benötigt

An der Wasser­seite des CTB plant die HHLA in diesem Zusammen­hang eine weitere Auto­matisierung. Derzeit transportieren dort noch Diesel-VC die Boxen zwischen Kaikante und Block­lager hin und her. An 6 der 10 Liege­plätze des CTB sollen sie zukünftig durch autonom manövrierende Containertransporter (sogenannte AGV) im Batteriebetrieb ersetzt werden.

Das Blocklager selbst ist bereits hoch­automatisiert. Nur den Umschlag der Container zwischen Lager­kranen und Lkw auf der Landseite übernehmen noch sogenannte Fern­steuerer. Von einem Nebenraum des Terminal-Leitstands im Dach­geschoss eines Hoch­hauses aus „fahren“ sie dabei die Lager­krane mit Hilfe von Video­bildern.

Zukünftig soll auch der Großteil der Lkw-Container selbsttätig vom System abgefertigt werden. Der Hauptvorteil eines automatisierten Kranbetriebs im Vergleich zur manuellen Steuerung seien „weitgehend konstante und gut vorhersagbare Ergebnisse“, sagt Johann Bergmann vom Fraunhofer Center for Maritime Logistics and Services CML in Hamburg. Der Experte für Hafentechnologien ergänzt: „Die Arbeitsunterbrechungen wegen Kranfahrer- oder Schichtwechsel sind kein Thema und die produktive Einsatzzeit des Krans wird signifikant erhöht.“

Menschen bleiben unverzichtbar

Und doch bleiben menschliche Experten unverzichtbar, vor allem im Leit­stand. Menschen wie Schicht­leiter Ralf Meggers, der für störungs­freie Abläufe auf dem gesamten Terminal sorgt. Das Block­lager selbst hat er dabei auf seinen vielen Daten­monitoren normaler­weise nicht im Blick. Das übernehmen für ihn Spezialisten wie Martin Schlüter, der als „Steuerer Technik“ für die Überwachung des Lager­kran­systems zuständig ist. Und gut, dass diese Überwachung funktioniert. Kurz zuvor hat jemand unten am Block­lager versehentlich eine Licht­schranke durch­quert und damit einen Sicherheits-Notstopp ausgelöst. Schlüter beendet den durch­dringenden Alarm und gibt die Spur nach Entwarnung durch einen Kollegen vor Ort wieder frei.

Zurück aus dem Büro, zurück zu den nagel­neuen Lager­blöcken, die derzeit noch mit der Nummer 24 enden. Daneben liegt schon die nächste Baustelle. Viel Erdreich wurde schon bewegt, Fläche erschlossen und vorbereitet. „Bis voraussichtlich 2025 werden hier die Blöcke 25 bis 27 stehen“, erklärt Terminal­entwicklerin Witte. „28 und 29 sind projektiert, aber noch nicht konkret terminiert“. Das wäre auch gewagt, denn die Ausbau­planung muss von der HHLA und ihrem Partner ABB schon aus wirtschaftlicher Verantwortung immer an die voraussichtlichen Mengen­entwicklungen des Container­umschlags angepasst werden.

Transfer des Konzepts ist denkbar

Doch was immer die Zukunft bringt: besser aufgestellt kann man kaum sein. Ein hoch automatisiertes Blocklager, drei überfahrbare Krane pro Block, die Boxen bis zu sechs hoch gestapelt und dank der Hilfe durch KI stets alles auf dem optimalen Lagerplatz. Diese herausgebildete Innovationsführerschaft der HHLA auf dem Burchardkai könnte auch Terminalbetreiber anderswo auf der Welt interessieren, findet Johann Bergmann, der Fraunhofer-Experte für Hafentechnologien: „Der Transfer dieses Konzeptes auf andere Containerterminals mit Anforderungen an hohe Lagerblockproduktivität ist denkbar.“

Umweltsenator Jens Kerstan und HHLA-Vorstandsmitglied Jens Hansen am Container Terminal Burchardkai. Die Umstellung der Technik wurde durch die Umwelt­behörde mit Sonder­mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung im Rahmen der Initiative REACT-EU mit insgesamt zehn Millionen Euro gefördert.

Veröffentlicht am 22.6.2023