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Die aktuellen Störungen der globalen Lieferketten werfen Fragen auf, wie die Logistik der Zukunft resilienter, kooperativer, effizienter und auch umweltfreundlicher werden könnte. Wird Schiffsdiesel durch Ammoniak ersetzt? Sollte man Ersatzteile besser vor Ort mit 3D-Druckern herstellen, anstatt sie um die halbe Welt zu transportieren? Welche Aufgaben wird uns die Künstliche Intelligenz abnehmen? Diese und ähnliche Zukunftsthemen behandelt der HHLA Talk mit Professor Dr. Carlos Jahn. Er leitet das Institut für Maritime Logistik der Technischen Universität Hamburg und ist in Personalunion Leiter des Fraunhofer Centers für Maritime Logistik und Dienstleistungen in Hamburg-Harburg.
Was heißt das, wie nutzt sie die HHLA und was sind ihre Vor- und Nachteile?
Mehr über KI erfahrenZum HHLA Talk begrüßen wir heute einen der profiliertesten deutschen Wissenschaftler, wenn es um unsere maritime Branche geht. Professor Dr. Carlos Jahn leitet das Institut für Maritime Logistik der Technischen Universität Hamburg und ist in Personalunion Leiter des Fraunhofer Centers für Maritime Logistik und Dienstleistungen in Hamburg-Harburg. Herzlich willkommen!
Ja, vielen Dank. Ich bin sehr gerne hier in diesem beeindruckenden HHLA Media Hub.
Im Moment sind Schifffahrt, Hafen und Logistik - man könnte fast sagen leider - ein ganz großes Thema in den Medien. Wir erleben in bisher unbekannter Intensität eine umfassende Störung globaler Lieferketten. Hat die Corona Pandemie da einen schwarzen Schwan aufgeschreckt oder stecken dahinter vielleicht auch systemische oder strukturelle Probleme der globalisierten Logistik?
Ja, das ist eine interessante Frage. Ich denke nicht, dass das ein systematischer Fehler oder systematische Schwächen der globalen Logistikketten ist. Grundsätzlich muss man sagen, dass gerade die maritime Logistik ein hoch effizientes Ineinandergreifendes System ist, was günstige, aber auch sehr umweltfreundliche und zuverlässige Transporte bietet. Und dass jetzt die Corona Krise mit geschlossenen Produktionswerken mit geschlossenen Häfen zu kleineren Störungen führt, zeigt eigentlich, dass das System sehr effizient und nicht Ressourcen verschwendet. Es wäre andersherum erstaunlich, wenn trotz dieser Einbrüche in Produktion und Umschlag alles laufen würde wie bisher. Das würde eher heißen, dass das System zu mächtig ausgelegt ist - und das ist nicht der Fall. Kooperation ist in der maritimen Logistik die Basis. So arbeiten seit Jahren Reeder, Häfen und Logistikdienstleister zusammen, sonst würden die Ketten gar nicht so effizient funktionieren. Nur diese Facette, Daten zu teilen, das ist etwas Neues. Und hier könnte noch mehr Kooperationswillen helfen.
Ohne Kooperation würden die Logistik Ketten ja auch zusammenbrechen. Und man sieht jetzt auch, dass selbst in Situationen wie derzeit, die schwierig sind, dass dort mit Improvisation und guter Zusammenarbeit die meisten Probleme gelöst werden. Vielleicht können wir mal auf das Gebiet der technischen Innovationen gehen. Es könnte doch auch Innovationen geben, mit deren Hilfe manche komplizierte Lieferkette vereinfacht wird. Ich denke da zum Beispiel bei der schnellen Lieferung wichtiger Ersatzteile an 3D-Drucker. Sehen Sie vielleicht solche Effekte, dass durch Innovationen wie den 3D-Druck Lieferketten an bestimmten Punkten entschärft werden können?
Also 3D-Druck ist ohne Zweifel eine fantastische Technologie. Und wenn man sieht, dass nicht nur Plastik gedruckt werden kann oder Kunststoffe, sondern mittlerweile metallische Teile hergestellt werden können, die in ihren physikalischen Eigenschaften herkömmlichen gleichwertig oder sogar höherwertiger sind, wenn wir in den Leichtbau schauen, was dort möglich ist. Ich denke, dass sich die Lieferketten dadurch allerdings nur in Nischen ändern können. Das Thema Ersatzteile wird häufig angeführt. Es ist ja auch faszinierend zu sagen: Ich kann Ersatzteile vor Ort herstellen. Die Herausforderung ist natürlich, das großflächig umzusetzen. Zum Einen sind die Stückkosten sehr hoch, die beim 3D-Druck anfallen. Das heißt, die Teile werden sehr viel teurer, als es in der industriellen Massenproduktion hergestellte Teile sind. Natürlich ist da noch die Frage der Gewährleistung für die technischen Teile, die ich vielleicht irgendwo auf der Welt drucken kann. Wer übernimmt die Verantwortung, wenn die Teile sicherheitsrelevant sind? Ich denke, es ist noch ein weiter Weg, dort Ketten aufzubauen, die ein dezentrales Drucken überall auf der Welt ermöglichen in dem Umfang, dass Lieferketten massiv betroffen sind.
Halbleiter, die im Moment überall fehlen, wird man wahrscheinlich noch nicht drucken können. Aber vielleicht hilft es ja, ganz spezifische Engpässe zu beseitigen. Noch eine andere Frage, die auch möglicherweise einen Einfluss haben könnte. Es gibt ja eine Menge sogenannter Null-Energie-Geräte, mittlerweile also kleinere Teile, die für die Transport Kette zum Beispiel wichtig sind, indem sie durchgehend Daten senden. Sehen Sie da vielleicht eine Möglichkeit, die Durchgängigkeit der Transporte besser zu gewährleisten? Indem ein Container zum Beispiel ständig seinen Standort sendet und Verzögerungen besser eingepflegt werden können?
Das Thema, auf das Sie anspielen, ist ja die Frage des intelligenten Containers. Also ich habe ein Device am Container, idealerweise mit null Energie. Das heißt, null Energie hat er natürlich nicht. Er sendet ja, aber er nimmt die Energie aus der Bewegung vielleicht heraus. Es ist faszinierend, sich diese Welt vorzustellen, dass man immer von jedem genau weiß, wo er ist, wo er hingeht, wie der Zustand ist. Auch die Temperatur, die Bewegung, welche Stöße hat er vielleicht erfahren? Wie ist die Luftfeuchtigkeit innerhalb des Containers und dergleichen? Hier stellt sich die Frage: wenn man sich vorstellt, dass jetzt die vielleicht 30 Millionen Container weltweit damit ausgestattet wären, wie erzeugt man mit dieser Vielzahl an Informationen tatsächlich für den Prozess der Logistik an den verschiedenen Stellen einen Mehrwert. Das ist weniger eine rein technologische Frage, sondern auch eine logistisch methodische Frage. Was mache ich damit? Es kommt ein Schiff mit 20.000 Containern, die alle paar Sekunden Informationen senden. Und es ist nicht nur ein Schiff, sondern ganz viele Schiffe. Die Informationsflut ist immens. Und hier zu schauen: wie kann ich tatsächlich einen Mehrwert erzeugen, wenn ich von jedem einzelnen Container weiß, wo er ist? Ich denke, in der Zukunft wird uns diese Welt erwarten, weil die Geräte günstiger und zuverlässiger werden und wir mit immer mehr Informationen umgehen können. Von daher ist die Vision faszinierend. Bis sie allerdings eintritt, ist es noch ein ganz schöner Weg.
Mit intelligenter Fernüberwachung behalten Verlader ihre Container zukünftig sicher im Blick.
Alles was Sie so beschreiben, ist dann ja auch eine Informations- und Datenflut. Und Ihren Aspekt fand ich eben sehr interessant. An welche Grenzen wird das Ihrer Meinung nach stoßen? Denkbar ist ja alles, aber es gibt dann letztendlich immer praktische Grenzen. So wie wir schon vor 30 Jahren gedacht haben, bald gibt es das papierlose Büro. Aber das gibt es immer noch nicht.
Die Grenze ist sicherlich den, den Nutzen daraus zu ziehen. Es ist faszinierend, mit großen Datenmengen umzugehen. Es ist faszinierend, Algorithmen zu entwickeln, gerade mit der Künstlichen Intelligenz, um aus diesen Daten Erkenntnisse zu gewinnen. Es ist aber noch ein Schritt, daraus für die Praxis tatsächlich einen Mehrwert zu generieren und zu schauen: Was helfen mir die Informationen? Ich kann mir viele Informationen vorstellen, die grundsätzlich interessant sind, die aber, auch wenn ich sie weiß und rechtzeitig weiß, eigentlich für die Verbesserung meiner Kette wenig oder gar keinen Einfluss haben. Und hier diese Filterfunktion zu finden, welche Informationen sind die richtigen? Wer nutzt sie? Wem stelle ich sie wann zur Verfügung? Und wie gehen sie dann in Folge Prozesse ein? Das ist eine Herausforderung und auch eine Grenze. Sowas entwickelt sich nicht über Nacht. Das ist ein Prozess, auch eine Gemeinschaftsaufgabe aller an der Logistikkette Beteiligten, über solche Fragen nachzudenken.
Sie sprechen ja oft von Synchronisation, also von dem besseren Ineinandergreifen von Lieferketten. Und dazu gehört auch der kooperative Austausch von Frachtdaten, zum Beispiel. Was würden Sie sagen, ist das möglicherweise ein Widerspruch zu den sehr strengen Datenschutzgesetzen, die es ja in der EU gibt? Oder finden die Akteure da andere Lösungen?
Ich verstehe natürlich die Datenschutzregelungen und den Bedarf, Daten zu schützen. Andersherum bin ich auch Optimist und denke, dass sich am Ende die guten Lösungen durchsetzen und die Potenziale, die der Datenaustausch bietet, um eben Prozesse zu synchronisieren. Es geht ja nicht nur darum, dass ich dann weniger warten muss, sondern weniger Wartezeit heißt, dass ich vielleicht mit weniger Fläche gleiche Umschlagsleistungen in den Häfen erreichen kann. Ich kann auch mit weniger Wartezeit von Geräten mit gleicher Leistung mit weniger Geräten auskommen. Das heißt dann auch: weniger Ressourceneinsatz, weniger Fläche, weniger Emissionen. Und das ist sicherlich etwas, was überzeugend ist. Es gibt immer mehr Beispiele, die zeigen, was mit einer Synchronisation zu schaffen ist, dass auch die Herausforderung des Datenschutzes bewältigt werden.
Wäre da vielleicht Blockchain eine Möglichkeit, weil in der Blockchain Daten auch anonym abgelegt werden können? Soweit mir bekannt ist, wird die Technologie Blockchain nicht so stark von dieser Datenschutz Problematik betroffen. Haben Sie da vielleicht Beispiele oder wissen Sie mehr darüber?
Blockchain ist natürlich ein sehr interessanter Ansatz. Sie gehört ja zu den dezentralen Technologien, von denen es mehrere gibt. Und ich glaube auch in Zukunft geht der Trend dahin, dezentrale Lösungen zu schaffen. Dezentrale Datenhaltung, ein dezentraler Datenaustausch. Ich denke nicht, dass der Datenschutz da die Bremse ist, sondern es ist aus meiner Sicht eher das Verständnis der verschiedenen Marktteilnehmer, die ja auch kompetitiv zueinander stehen. Hier müssen sie Daten in Systeme eingeben, wo der Nutzen auch anderen zugute kommt und vielleicht nicht kurzfristig der eigene Nutzen hervorsticht. Ich glaube, das ist eher das, was derzeit bremst.
Das ist also eine Kulturfrage, dass man lernen muss, zu kooperieren. Auch durch das Geben, indem man Daten freigibt, kann man gemeinsam einen Effekt erreichen, den es vorher nicht gab. Ich würde jetzt gerne auf eine große - ich würde mal sagen: Erfindung zu sprechen kommen, an der wir als HHHLA auch beteiligt sind, zusammen mit den US-amerikanischen Entwicklern von HyperloopTT. Und das ist der Hyperloop. Was sagen Sie dazu? Wäre das wirklich eine wichtige Erfindung? Vielleicht auch mit Blick auf den Klimawandel, weil es sich hier ja um nahezu CO2 freie Transporte handelt?
Ohne Zweifel ist die Technologie natürlich faszinierend. Die Vorstellung, mit geringem Energieeinsatz Transport über lange Strecken irre schnell realisieren zu können, da schlägt das Forscherherz natürlich höher. Auch wenn man sieht, wie dicht an der Realisierung diese Aktivitäten sind. Fraglich ist natürlich, wie sich das tatsächlich in wirtschaftliche Transporte umsetzen lässt. Und ich denke, das ist auch hier wieder die Grenze. Gelingt es, zusätzlich zu unserer vorhandenen Infrastruktur eine gänzlich neue Infrastruktur zu schaffen, die dann mit ihrem Angebot, Ladung zu transportieren, mit den vorhandenen konkurrieren kann? Preislich und auch hinsichtlich der logistischen Abwicklung für bestimmte Nischentransporte. So verstehe ich auch HyperloopTT, wie sie auf dem Markt agiert, dass sie bestimmte Nischen identifiziert, wo das Sinn macht. Ich denke auch, dass das ein Teil unseres Transportsystems der Zukunft sein wird. Aus meiner Sicht und heutiger Sicht ist es eher ein Nischenprodukt, das aber wichtige Nischen besetzen kann. Ich sehe es als eine Ergänzung des Transportsystems, und ich sehe nicht eine Zukunft, wo unsere Welt mit Hyperloop-Strecken versehen ist und die Bahn, Binnenschiff, Lkw oder Schiffe dann zurückgehen.
Was wir hier eben schon angesprochen haben, ist der CO2 freie Transport von Waren. Und das ist ja eines der wichtigsten Themen der Zukunft. Sehen Sie da eine Möglichkeit? Sei es durch Technologie, vielleicht auch durch neue Energieträger, wie man Schiffe und natürlich auch Flugzeuge und andere Transportmittel klimaneutral antreiben könnte?
Ja, natürlich, die Technologien gibt es ja schon. Man kann synthetische Kraftstoffe herstellen, die - wenn wir die Energie dafür nachhaltig gewinnen - tatsächlich grüne Treibstoffe sind. Das ist also technologisch möglich. Wie bei allem ist die Frage: Lässt sich das in unserem Wirtschaftssystem umsetzen? Und das ist die große Herausforderung, denn im Moment sind diese Kraftstoffe irre teuer. Es ist nicht absehbar, dass sie in Kürze sehr, sehr billig werden, so dass sie überhaupt mit dem vorhandenen System der Kraftstoffversorgung preislich konkurrieren können. Das ist sicherlich eine Sache, die Zeit kostet, solche Kraftstoffe in die Breite zu bringen,
Aber diese Zeit haben wir ja leider nicht. In diesem Moment - während wir hier ein Interview führen - findet gerade die große Weltklimakonferenz in Glasgow statt. Dort sagen alle: Die Zeit haben wir nicht. Wenn ich an Alternativen wie zum Beispiel Ammoniak denke - das ist ja verfügbar, das wird in der chemischen Industrie schon angewendet. Und weil die Schifffahrt einfach Alternativen braucht, wäre zum Beispiel Ammoniak eine solche Alternative? Oder ist es aus Ihrer Sicht notwendig, dass LNG - als ein anderes Beispiel - noch lange als eine Brückentechnologie, also durchaus noch 10, 20 oder 30 Jahre seine Berechtigung haben muss?
Also ich denke, dass diese Umstellung, diese Dekarbonisierung der Schifffahrt als großes Stichwort einfach noch eine Zeit dauert. Natürlich gibt es Ammoniak, aber wenn wir jetzt mit einem Mal den Schalter umlegen, bräuchte man immense Mengen, und die müsste man einfach erst mal erzeugen. Was an sich schon fraglich ist, mit den vorhandenen Kapazitäten, dass man diese einfach auf Knopfdruck deutlich erhöhen kann. Man muss sie auch an die Orte bringen, wo die Schiffe sie brauchen, dafür die entsprechenden Betankungssysteme schaffen. Und man muss natürlich die entsprechenden Schiffe haben, die diesen Kraftstoff dann verarbeiten. Schiffe sind ja auch große technische Anlagen, die nicht über Nacht entstehen. Von daher braucht es einfach Zeit. Auch wenn da ein gewisser Druck ist, diese Dekarbonisierung voranzutreiben, so ist es einfach ein Prozess, der Jahre kostet und nicht über Nacht möglich ist. Aber Ammoniak wäre sicherlich eine gute Alternative. LNG, das Sie ansprachen, ist als Brückentechnologie akzeptiert. Es entstehen ja mehr und mehr, auch große Containerschiffe, die LNG in der Zwischenzeit nutzen. Und natürlich ist LNG besser als andere, auf Rohöl basierende Kraftstoffe, weil da die Emissionen deutlich gesenkt sind. Ich denke, es ist kein Schwarz oder Weiß. Kein Schalter auf Plus oder Minus, und dann ist auf einmal alles klimaneutral, sondern das ist ein Prozess. Und in diesem Prozess haben verschiedene Kraftstoffe eine Bedeutung. Ammoniak, andere synthetische Kraftstoffe, LNG... Und so kann in der Zukunft dann dieses hehre Ziel der Dekarbonisierung erreicht werden. Aber sicherlich nicht über Nacht.
Unser Thema ist ja die Zukunft. Und wenn wir über Ammoniak reden, wenn wir über Wasserstoff reden, wenn wir über "renewable energy" reden, dann muss man feststellen, dass in Deutschland Sonne und Wind nicht unbedingt in dem Umfang zur Verfügung stehen, wie in anderen Ländern beispielsweise Marokko, Chile, Saudi-Arabien, Australien. Wenn man daran denkt, dass dort ja absehbar die Strompreise sinken, während sie bei uns seit langem schon ständig steigen - können Sie sich dann vorstellen, dass dieser Überschuss an Sonnen- und Windenergie, die man ja auch in Ammoniak oder Wasserstoff umwandeln kann, dass dieser Überschuss zu einer drastischen Verlagerung von Industrieproduktion führen wird? Und damit natürlich auch zu einem ganz neu strukturierten internationalen Warenaustausch?
Ja, das ist eine schöne, perspektivische Frage. Aus meiner begrenzten Sicht sehe ich das erstmal nicht. Natürlich ist Energie ein wichtiger Kostenfaktor in der industriellen Produktion, aber es ist nicht der einzige. Wenn ich mir Industrien angucke, die hochkomplexe Produkte herstellen, dann ist die Energie natürlich ein Faktor. Aber es ist auch der Faktor Marktnähe, der wichtig ist, und auch der Faktor Verfügbarkeit von Arbeitskräften bzw. eines Zulieferernetzwerkes. Wenn ich heute eine moderne Fabrik sehe, ist sie ja mehr ein Netzwerk, das Teile zusammenführt. Wenn in einem solchen Hochleistungslogistikprozess komplexe Produkte entstehen, das Ganze dann einfach großflächig oder drastisch zu verlagern in eine Region, wo vielleicht außer viel Sand wenig ist, nur weil dort der Strom günstiger ist? Das kann ich mir so schnell nicht vorstellen! Für bestimmte Nischenindustrien kann das sicherlich ein Faktor sein. Aber als Optimist hoffe ich auch, dass diese hohen Strompreise, die wir haben, sich vielleicht mit den neuen Technologien wieder zähmen lassen.
Ich dachte auch daran, dass solche Produkte wie Wasserstoff oder Ammoniak in Ländern wie Chile - mit sehr viel Windenergie - oder Australien - mit sehr viel Sonnenenergie - produziert und dann eventuell verschifft werden können. Da gibt es ja schon Überlegungen, wie teuer diese Energie dann hier werden könnte. Glauben Sie, dass zum Beispiel die Wasserstoffindustrie oder die Ammoniakindustrie in Australien und Chile ganz andere Perspektiven hat als bei uns, wo es ja zum Beispiel vor Helgoland auch schon ähnliche Projekte gibt?
Das denke ich schon, und dass wir ihn dann importieren. Das ist übrigens auch eines der Projekte, die wir gerade bearbeiten. Wir bauen ein Simulationsmodell, das solche weltweiten Wasserstoff-Logistikketten mit verschiedenen Transportmodi abbilden und bewerten kann. Das wird mal ein Teil unseres Energiemixes sein, aber man darf nicht glauben, dass der Sonnenstrom oder Windstrom dann umsonst ist. Denn die Anlagen, die diesen Strom einfangen - seien es Sonne oder Wind - kosten natürlich Geld. Es kostet Ressourcen, sie zu bauen, und auch, sie zu unterhalten. Wir sehen das ja bei den Offshore-Anlagen. Oder wenn sie überlegen: Solaranlagen in der Wüste - die sind nicht umsonst! Sie sind gefordert, durch Sandstürme als das prominenteste Beispiel, und das ist nicht kostenfrei. Die Frage ist, wie dann die Gestellungskosten sind. Plus die Umwandlung in Wasserstoff, plus den Transport. Umsonst ist es nicht, aber ein Teil unseres zukünftigen grünen Energiemixes wird es bestimmt.
Es ist ja so, dass chinesische bzw. asiatische Firmen, also auch aus Japan, Taiwan, oder Südkorea, dass sie die Produktion in vielen Branchen, zum Beispiel bei der Herstellung von Halbleitern oder Solarpanels, dominieren. Außerdem liegt noch die Mehrzahl der weltweit größten Häfen in Asien, besonders in der Volksrepublik China, und der innerasiatische Handel wird auch immer wichtiger. Das heißt also, Asien wird als Logistik-Player immer mächtiger. Was glauben Sie: Wie werden die Handelsrouten in 20, 30 Jahren aussehen? Wird Europa dort immer noch so eine, im Moment ja recht dominante Rolle spielen? Oder verlagert sich das vielleicht?
20 Jahre in die Zukunft zu schauen, das ist natürlich nicht so einfach. Aber sie haben die Entwicklung angesprochen. Die asiatischen Logistikprozesse sind halt dominierender. Auch die Volkswirtschaften wachsen dort sehr schnell und der Austausch der Waren steigt. Wir sehen, dass Europa einfach weltweit, was die Mengen angeht, an Bedeutung verliert. Aber es geht ja nicht nur um Mengen, sondern auch WAS produziert und ausgetauscht wird. Ich denke, Europa hat eine große Chance, eben gerade bei Hochtechnologieprodukten immer noch bestimmend zu sein. Und da hoffe ich auch, dass die politischen Rahmenbedingungen so bleiben und sogar verbessert werden, um diese Innovationskraft, die in Europa steckt, die sich aus verschiedenen Quellen wie dem hervorragenden Ausbildungssystem speist, dass wir die erhalten können. Wenn auch nicht von der Menge, aber doch bei der Qualität und Innovativen von Produkten sind wir im Grunde führend. Ich sehe das daher nicht so negativ, wie man das überspitzt ab und zu lesen kann.
Wir haben sehr viel über Innovationen, über die Zukunft geredet und sie sehen ganz viel, tauschen sich aus. Welche von den Innovationen, die im Moment im Bereich Transport und Logistik noch nicht so bedeutend sind, aber sich schon so ein bisschen andeuten, welche von diesen Innovationen könnten aus Ihrer Sicht zum Game Changer werden?
Game Changer ist ein großes Wort. Ich denke, dass die Logistikketten sich nicht so stark verändern werden. Sie sind schon seit Jahrhunderten ziemlich ähnlich. Es werden Waren zu einem Hafen gebracht, auf Schiffe geladen und transportiert. Dieses Grundprinzip, glaube ich, ist sehr, sehr stabil.
Also das Schiff wird sich auch demnächst nicht ersetzen lassen...
Nein, das das denke ich nicht. Was ich sehe, ist zum Beispiel das Thema Künstliche Intelligenz. Das wird vieles in der Logistik ändern und ermöglichen, zum Beispiel erst mal Entscheidungen zu verbessern. Ich kann Entscheidungen auf noch mehr Daten abstützen, und diese Datenmengen kann ich nicht mehr allein als Mensch auswerten, sondern mit der künstlichen Intelligenz, die mir dabei hilft, diese Daten auszuwerten. Das geht dann so weit, dass nicht nur Entscheidungen vorbereitet, sondern automatisiert werden können. Viele Dinge, die heute vielleicht der Mensch an Kleinigkeiten entscheiden muss, die wird dann eine künstliche Intelligenz entscheiden. Was wird sich dadurch für die Menschen verändern? Routinetätigkeiten, langweilige Dinge, werden abnehmen. Zunehmen wird die Arbeit, die ich als Arbeit im System bezeichnen würde, also zunehmend für Ausnahmesituationen da zu sein, wo der Mensch mit seiner Kreativität unschlagbar ist, Fire Fighting und Ausnahmesituationen. Und die Arbeit am System. Klar ist, dass die künstliche Intelligenz an sich eigentlich dumm ist. Sie macht das, was man ihr sagt. Das ist eine große Chance, wenn wir uns einbringen und diese Regeln, nach denen sie entscheidet, gestalten. Und das auch nicht einfach im leeren Raum, sondern gerade konkret für Logistik. Da gibt es interessante Perspektiven, weil wir Logistik noch besser synchronisieren und verbessern können, indem wir die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz nutzen. Wir können sie sehr gut leiten, sie in die richtige Richtung führen, hin zu mehr Effizienz und mehr Nachhaltigkeit in der Logistik.
Dazu haben sie auch ein Forschungsprojekt, das nur einen ganz kleinen Teil der Künstlichen Intelligenz abbildet. Aber da Sie auf unseren Terminals geforscht haben, will ich es kurz ansprechen. Es ging da um automatisierte Verkehre, und sie haben sich Lkws angeguckt. Wenn die automatisiert fahren würden, wie ließe sich dadurch die Produktivität steigern? Was haben Sie herausgefunden?
Ja, die haben ganz konkret bestimmte Verkehrsszenarien im Hafen abgebildet und ein Simulationsmodell geschaffen, was einmal den Verkehr mit 100 Prozent klassischen LKWs abbildet, also die Ist-Situation. Und wir haben auch die Möglichkeit, dort autonome LKWs abzubilden, die sich anders verhalten. Sie sind von der Fahrgeschwindigkeit, aber auch beim Anhalten, Einparken, insgesamt beim Fahrverhalten ganz einfach anders aufgestellt. Und wir können jetzt analysieren, wie verändert sich die gesamte Produktivität dieses Verkehrssystems, wenn 10, 20, 30, 100 Prozent autonome Lkws unterwegs sind? Was verändert sich am System? Was müsste man an der Infrastruktur verändern? Was wir feststellen, ist, dass das autonome Fahren zur Produktivität beisteuert. Es führt nicht dazu, dass das System insgesamt langsamer wird, weil die Lkws vielleicht langsamer fahren, sondern dass es zu einer Produktivitätssteigerung führt. Wir können das sehr genau für einzelne Bereiche analysieren. Und es lässt sich auch ableiten aus den Erkenntnissen, was man eigentlich an der Infrastruktur ändern muss. Denn klar ist: wir müssen unsere Infrastruktur verändern, um sie zu optimieren auf das autonome Fahren. Die Potenziale sind hoch. Allerdings gibt es diese Lkws erst in Pilotlösungen und sie werden nicht im nächsten Jahr einen großen Teil der Flotte ausmachen.
Wir selbst haben ja auch mit dem Projekt Hamburg TruckPilot so eine Initiative gestartet. Also wir wären Ready! Wenn Sie sagen, die Produktivität ließe sich damit steigern, dann hoffen wir, dass es auch bald mehr autonomes Fahren gibt. Dann gäbe es auch hoffentlich weniger Unfälle. Wir hier in Hamburg sind ja ein sehr großer Knotenpunkt für Straßenverkehre, mit der A7, mit der A1 und so weiter. Glauben Sie, dass Hamburg sich diese Funktion als ganz zentraler Logistik-Hub in Nordeuropa dauerhaft sichern kann?
Davon bin ich überzeugt, dass Hamburg das sichern kann. Es ist natürlich keine Entscheidung, die der Einzelne treffen, sondern das ist eine gesellschaftliche Entscheidung, wie man einen Standort entwickeln kann. Aber alles, was ich an Entwicklungen sehe und auch an Motivation der Menschen, da denke ich, wir wären schlecht beraten, diese besondere Position verlassen zu wollen. Denn sie bietet uns viele Vorteile, nicht zuletzt Wohlstand, aber auch die Chance - wenn wir wieder auf die Nachhaltigkeit kommen - hier einen massiven Beitrag zu leisten, weil wir doch die Technologien und auch die Motivation haben, hier weiter voranzugehen.
Wir haben in Hamburg ja auch den größten Eisenbahnhafen Europas, vielleicht sogar der Welt, und damit setzen wir bereits auf einen sehr ökologischen Verkehrsträger. Damit kommen wir jetzt wirklich zur letzten Frage, und zwar im Bereich Bahn. Sehen Sie eine Möglichkeit, die Effizienz des Schienenverkehrs deutlich zu steigern, wenn man mehr Güter auf die Schiene bringen will, oder muss man einfach mehr neue Strecken bauen?
Sicherlich sind es zwei Teile. Der eine ist: man braucht mehr Strecken. Ganz einfach, weil man physikalisch auch mit der besten Digitalisierung nicht zwei Züge gleichzeitig auf dem gleichen Stück Gleis fahren lassen kann. Deshalb braucht man einfach mehr Infrastruktur, wenn wir massiv mehr Verkehr auf die Schiene bringen wollen. Andererseits kann man zusätzlich durch die Digitalisierung noch mehr Potenziale aus dem vorhandenen System ziehen. Und da möchte ich wieder das Problem der Synchronisierung ansprechen. Es muss eben durch Informationsaustausch im Vorfeld gelingen, bestimmte Warte- und Stehzeiten zu reduzieren, um damit auf der vorhandenen Infrastruktur mehr Verkehr zu ermöglichen. Aber um eine Ausweitung der Infrastruktur kommen wir für große Sprünge nicht herum. Aber das Ziel und das Ergebnis sollte uns eigentlich dazu bewegen, diesen Weg voranzugehen.
Professor Jahn, das waren eine Menge sehr interessante Ausblicke in die Zukunft. Und die waren auch im Wesentlichen recht positiv für Hamburg, für Deutschland, auch für den Klimaschutz. Dann hoffen wir, dass sich viele davon erfüllen werden. Vielen Dank!
Ja, ich danke Ihnen! Schön, dass ich hier sein durfte und einige Gedanken mit Ihnen teilen konnte.
Wir garantieren unseren Kunden sowohl einen klimaneutralen Umschlag als auch einen klimaneutralen Transport ihrer Waren und Güter von unseren Terminalanlagen im Hamburger Hafen bis ins europäische Hinterland.
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