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Elektro- versus Wasserstoff- versus Flüssiggas-Antrieb: Wie können Lkw ihren CO2-Ausstoß wirkungsvoll reduzieren?

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Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) verursacht der Güterverkehr rund ein Drittel der Treibhausgase in den OECD-Ländern. In Deutschland stiegen die absoluten Kohlendioxid-Emissionen im Straßengüterverkehr seit 1995 um etwa 20 Prozent – weil mehr Lkw fahren. Und eine Besserung scheint nicht in Sicht, denn: Eine Prognose von Intraplan Consult im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums sagt ein weiteres Wachstum des Straßengüterverkehrs voraus: 2022 um 3,5 Prozent, 2023 um 2,1 Prozent.

Das setzt die europäische Nutzfahrzeugindustrie – vor dem Hintergrund ambitionierter EU-Klimaziele – unter Druck. Noch sind Diesel-Lkw der Standard, aber Alternativen werden dringend gesucht und auch schon getestet. Eine knappe Dekade bleibt dafür Zeit. Welche neuen Antriebe stehen zur Wahl, und welcher davon hat die besten Chancen sich durchzusetzen? Elektro-, Gas (LNG oder CNG) und Wasserstoff (H2) heißen die Alternativen zum Diesel. Sie sind allerdings teuer.

Platzhirsche und Newcomer

Wie sich die großen Unternehmen positionieren, liefert Hinweise, wohin sich der Markt möglicherweise entwickelt. Die Mercedes-Benz Group, die mittlerweile ihre Truck-Sparte an seine Aktionäre übertragen hat, sagt klar: 50 Prozent der verkauften Lkw-Flotte sollen bis spätestens 2030 batterieelektrisch oder als Brennstoffzellen-Lkw betrieben werden. Volvo, Renault und Hyundai folgen diesem Beispiel. DAF Trucks und MAN haben sich für den Elektro-Weg entschieden.

© Volta Trucks

Neben den Platzhirschen der Branche gibt es aber auch Newcomer wie das Start-up Volta aus Schweden (siehe Foto oben). Obwohl erst 2017 gegründet, will es bereits im Sommer 2022 1.500 Lkw mit reinem Elektroantrieb an DB Schenker liefern. Mit seinen technischen Spezifikationen sollen die Trucks für eine Reihe unterschiedlicher Märkte in Europa geeignet sein.

Auf mit Flüssigerdgas angetriebene Lkw setzen Scania und Iveco. Der Online-Händler Amazon orderte bereits 1.064 solcher CNG-Zugmaschinen. Marktexperten betrachten diese Lösung aber nur als Brückentechnologie. Flüssigerdgas ist nur begrenzt verfügbar und keineswegs klimafreundlich.

Brennstoffzellen sind Thema der Stunde

Für zahlreiche Anwendungen ist die Brennstoffzellen-Technik das Thema der Stunde. „Die HHLA sieht enormes Potenzial im Einsatz von Wasserstoff im Schwerlastverkehr“, sagt Karin Debacher, die bei der HHLA für Wasserstoffprojekte zuständig ist. „Das gilt auch für andere Schwerlastgeräte auf den HHLA-Terminals. Geplant ist ein H2-Testcenter“, so Debacher. „Darin soll Terminalequipment mit Brennstoffzellen-Technologie im realen Betrieb getestet werden.“

Blaupause für Deutschland und Europa

Wasserstoff als Energieträger kann einen wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Ein Kurzinterview mit HHLA-Projektmanagerin Karin Debacher.

Lesen Sie das komplette Interview mit Karin Debacher

Wann allerdings der H2-Lkw auf die Straße kommt, hängt auch davon ab, wie schnell die Produktionskapazitäten und die Infrastruktur für Wasserstoff aufgebaut werden können. Derzeit ist das deutsche Tankstellennetzwerk überschaubar: Gerade mal neun von bundesweit 100 H2-Tankstellen sind auch für Lkw ausgelegt. „Da passt es doch gut, dass die geplante Wasserstoff-Tankstelle auch Externen zur Verfügung stehen soll“, kündigt Debacher an.

Elektro- oder Wasserstoff-Lkw – wem gehört also die Zukunft? Deutlich höhere Reichweiten von bis zu 1.000 Kilometern und eine schnellere Betankung sprechen für den H2-Lkw. Parallel dazu muss eine gefahrlos zu bedienende Tankstellentechnik entwickelt werden. Vermutlich ist dies ein Grund, weshalb noch niemand schwere H2-Lkw in Serie produziert. Falls die Prognose von Peter Lindlahr, Geschäftsführer von hySOLUTIONS, stimmt, dann wird sich das allerdings in absehbarer Zukunft ändern.

In der Schweiz setzt die Handelskette Coop bereits Wasserstoff-Lkw ein

Derzeit entwickeln sowohl renommierte Großunternehmen wie auch kleinere Spezial-Lkw-Hersteller Prototypen für verschiedene Wasserstoff-Antriebe. Eine andere Möglichkeit ist die nachträgliche Umstellung, das sogenannte Retro-Fitting.

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Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik (BGL) begrüßt die alternativen Lkw-Antriebe als „Hoffnungsträger“. Gleichwohl legt der Verband eine skeptische Rechnung vor: Allein für die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs wären 55.244 Windkraftanlagen mit der herkömmlichen Kapazität notwendig. Das bedeutete eine Verdreifachung der bisher installierten Leistung. Dazu kämen zusätzliche Stromtrassen, Verteilernetze und eine leistungsfähige Ladeinfrastruktur. Der BGL weist zudem darauf hin, dass 500.000 Lkw in Deutschland zugelassen sind und weitere 250.000 Fahrzeuge aus anderen Ländern täglich über die heimischen Straßen fahren. Fazit des Verbands: Für die erhoffte Umstellung auf Batterie respektive Wasserstoff braucht es ein milliardenschweres Förderprogramm.

Und was ist mit den Kosten?

Natürlich sind die höheren Anschaffungskosten der umweltfreundlichen Nutzfahrzeuge bereits ein Thema in der Politik. Laut DSLV, dem Spitzen- und Bundesverband der Spedition- und Logistikbranche in Deutschland, wird die Differenz zwischen konventionellen und Nullemissions-Lkw mit bis zu 80 Prozent gefördert.

Das noch vom deutschen Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) aufgelegte Förderprogramm sieht Investitionen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro für Fahrzeugkäufe – die Obergrenze je Fahrzeug liegt bei 450.000 Euro – und 5,4 Milliarden Euro für die Anschaffung von Tank- und Ladeinfrastruktur vor. Ohne diese Kaufförderung würden batterieelektrisch betriebene Lkw in Deutschland noch in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts Parität bei den Gesamtbetriebskosten (TCO) zum Diesel-Pendant erreichen. So aber liegen sie bereits heute auf demselben Niveau. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT).

Weitere Details zur Studie „Total cost of ownership for tractor-trailers in Europe: Battery electric versus diesel“

Auch eine im Dezember 2021 veröffentlichte Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) hat die Praxistauglichkeit von batteriebetriebenen Lkw unter Beweis gestellt. Die Machbarkeitsstudie „Zero Emission Deliveries – Berlin“ wertete 9.500 reale Touren von 224 Lkw mit mehr als 12 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht zu 534 Rewe-Filialen aus. Ergebnis: „Die aktuell verfügbaren Reichweiten von Batterie-Lkw reichen aus, um alle in der Studie analysierten städtischen Lkw-Touren und fast die Hälfte der betrachteten regionalen Touren mit E-Lkw zu schaffen“, resümiert Studienleiter Patrick Plötz, der jedoch einschränkend hinzufügt: „Für schwere Lkw über 26 Tonnen mit sehr langen Tagestouren bleibt die Elektrifizierung nach Stand des heutigen Fahrzeugangebots allerdings noch eine Herausforderung.“

Wenn ab 2025 die neuen, verschärften Flottengrenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge gelten, dann werden batteriebetriebene Lkw vermutlich zum Straßenbild gehören. Bis dahin muss allerdings auch die Ladeinfrastruktur entsprechend deutlich ausgebaut werden. Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) formulierte die hier nachzulesenden konkreten Handlungsbedarfe.

Ladesäule oder Oberleitung?

Mercedes-Benz Trucks will bis 2027 „mindestens 1.700 Hochleistungs-Ladepunkte“ für batterieelektrische Fernverkehr-Lkw in Europa bauen. Das dafür geplante Joint Venture aus Daimler, Volvo und Traton soll dieses Netz mit 500 Millionen Euro finanzieren und betreiben. Die beteiligten Unternehmen nennen es „die bei weitem größte Investition in Ladeinfrastruktur für schwere Lkw in Europa“.

Parallel zu dem eher konventionellen Ansatz einer „Strom-Tankstelle“ wird in Deutschland noch eine andere Technologie getestet. Könnte die Batterie eines Lkw nicht auch über eine Oberleitung geladen werden?

Eine von drei bundesweiten Teststrecken befindet sich auf der A1 zwischen der Anschlussstelle Reinfeld und dem Autobahnkreuz Lübeck. Auf der zweimal fünf Kilometer langen Route pendeln zwei mit Stromabnehmern ausgestattete Hybrid-Lkw. Weitere Pilotprojekte befinden sich auf der A5 in Hessen und B462 in Baden-Württemberg. Acht Fahrzeuge sind dort insgesamt im Einsatz. Auch Bayern soll eine Teststrecke für Oberleitungs-Lkw erhalten, die im Gegensatz zu den bisherigen vergleichsweise kurzen Abschnitten deutlich länger ausfallen wird.

Die aktuelle Entwicklung alternativer Antriebe ist also durch einen recht bunten Mix von Akteuren, Technologien und Förderstrategien geprägt. Manche davon gehen Hand in Hand, andere ringen um Dominanz. Die Mathematik lehrt, dass Gleichungen mit vielen Unbekannten schwer zu lösen sind. Doch unter dem Strich soll auf jeden Fall ein klimafreundlicher Straßenverkehr stehen.

Aktualisiert am 19.04.2022.

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