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Die Schwimmkräne der HHLA sind zusammen fast 150 Jahre alt und dürfen noch älter werden. Optimale Pflege sorgt dafür, dass sie weiterhin zu ihren Einsätzen im Hamburger Hafen fahren und schwer heben können.
66 treue Dienstjahre: Da könnte sich die HHLA IV doch auf den verdienten Ruhestand vorbereiten? Nein, an die Rente denkt der 1956 von der Demag gebaute und 1957 in Dienst gestellte Schwimmkran längst nicht. Denn im Hamburger Hafen braucht man ihn dringend – genauso wie sein noch einmal 16 Jahre älteres Schwesterschiff HHLA III. Deshalb wird der graue Gigant, der mit seinem 55 Meter hohen Ausleger über 200 Tonnen bis fast 32 Meter hoch heben kann, derzeit fit gemacht für die Zukunft.
Während die Arbeiten laufen, übernimmt HHLA III das Geschäft allein. „Das ist die erste ganz große Sanierung für HHLA IV nach sieben Jahrzehnten im Betrieb“, sagt Stephan Fröhlich, Leiter Schwimmkräne der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA).
Das Projekt läuft auf Grundlage der originalen Bau- und Schaltpläne aus den 1950er-Jahren ab. Für mindestens 15 weitere Betriebsjahre soll die Maßnahme sorgen. Dann hätte der Kran schon den 80. Geburtstag gefeiert, als ein gutes Beispiel für gelebte Nachhaltigkeit bei der HHLA. Denn der Bau eines neuen Krans würde bei einem so großen Gerät einen enorm hohen Energie- und Materialaufwand bedeuten.
Im September 2023 leuchtet die Sonne über dem Hamburger Hafen. Schon von weitem ist zu sehen, dass umfangreiche Arbeiten an dem Spezialschiff stattfinden. Der Aufbau ist eingerüstet und mit Folie verhüllt. Den Ausleger hat bereits im Sommer 2023 HHLA III gemeinsam mit Mobilkränen abgenommen. Jetzt ist die bewegliche Konstruktion in fünf Segmenten am Kai deponiert.
Der Unterlenker verbirgt sich unter einem Zelt mit Wellblechdach. Im Schutz der mobilen Halle wird die historische Stahlkonstruktion gründlich überholt. Runter mit den Spuren des Betriebs und der alten Farbe, anschließend notwendige Reparaturen ausführen, dann neuen Korrosionsschutz auftragen. Auch die riesigen Lager werden bei der Gelegenheit erneuert. Am Turm auf dem selbstfahrenden Ponton finden im Schutz der Abdeckung die entsprechenden Arbeiten statt.
Eintritt ins Zelt, wo im Dämmerlicht der Ausleger noch gigantischer wirkt als hoch oben am Kranaufbau: Gerade werden die historische Nietverbindungen aus den 1950er-Jahren geprüft. Bei Beschädigungen werden sie nicht mit frischen Nieten geschlossen, sondern durch Schrauben ersetzt. Diese sind fingerdick und halten Tonnen. Das ist Sicherheit und Effizienz geschuldet, erklärt Schwimmkran-Chef Fröhlich. Die Zahl der beschädigten Verbindungen und Bleche hält sich aber in sehr engen Grenzen – da zahlt sich die gute Pflege der beiden Schwimmkräne durch das Team der HHLA aus.
Maschinist Heinrich Proes steckt gerade bis zu den Ellenbogen in fettiger Maschinenbaugeschichte. Der gelernte Binnenschiffer gehört seit 19 Jahren zur Mannschaft, die sich um die Kräne kümmert. Er baut in diesen Tagen die fast 70 Jahre alten Rollenlager aus, mit denen der gewaltige Ausleger am Kranaufbau angelenkt ist.
Klar, die Spuren der Zeit sind nicht zu übersehen. Doch Proes freut sich, wie gut sich die historischen Bauteile trotz regelmäßiger Tätigkeit über eine so lange Zeit hinweg gehalten haben. Immerhin ist einer der beiden Kran-Oldtimer durchschnittlich mindestens einmal täglich im Einsatz. Der Lagerwechsel an dem historischen Hebezeug sollte unproblematisch sein, erklärt der Fachmann. Denn 1957 wurden bereits Normteile verwendet, die es heute noch gibt. Auch für die riesigen Lager von FAG Kugelfischer gibt es passenden Ersatz.
Aber warum eigentlich treibt die HHLA den ganzen Aufwand der Kransanierung? Es liegt vor allem daran, dass die Konstruktion aus der Mitte des 20. Jahrhunderts nach wie vor optimal geeignet für bestimmte Aufgaben im Hafen ist. Das Gros des Güterumschlags haben seit den 1960er-Jahren natürlich Containerbrücken übernommen. Aber es gibt nach wie vor Schwerlasten mit übergroßen Gewichten und Abmessungen.
Dazu gehören beispielsweise Schiffspropeller, die mehr als 100 Tonnen wiegen können, und Komponenten großer Offshore-Windanlagen. Hier kommen die beiden Schwimmkräne der HHLA ins Spiel. Sie können schwerste Lasten extrem flexibel aufnehmen, selbstfahrend transportieren und auch auf den riesigen Containerschiffen sicher verstauen. Bei den ganz großen Aufträgen arbeiten die Kräne sogar im Tandemhub zusammen.
„Dass unsere Kräne sich um 360 Grad drehen lassen, ist heute fast schon einzigartig im Schwergutumschlag in Häfen“, sagt Heinrich Proes über die besonderen Fähigkeiten der Oldtimer.
„Dass unsere Kräne sich um 360 Grad drehen lassen, ist heute fast schon einzigartig im Schwergutumschlag in Häfen.“
Möglich macht das die klassische Bauweise: Ein kegelförmiger Turm in Stahlfachwerkkonstruktion ist fest mit dem Ponton verbunden. Darüber stülpt sich der unendlich drehbare Aufbau wie eine Haube. In dessen oberem Bereich sitzen die Lager der Auslegerkonstruktion mit Unterlenker (Drucklenker) und Oberlenker (Zuglenker). Vorn ergänzt die Auslegerspitze die Geometrie, hinten die Gegengewichtswippe.
Im Zusammenspiel nehmen unterer Drehkranz und Spitze der Tragkonstruktion die vertikalen und horizontalen Kräfte auf. Für die Übertragung der elektrischen Energie und der Steuersignale zwischen Aufbau und Schiff sorgt eine ganz Batterie von Schleifringen im Herz des Aufbaus.
Das neunköpfige Team von Stephan Fröhlich sorgt dafür, dass HHLA IV top gepflegt wird und stets alle Fristen einhält. Neue Stahlseile gibt es alle zehn Jahre, ins Trockendock kommt der Kran jedes fünfte Jahr – dann wird der Rumpf des Pontons gesäubert und erhält einen neuen Anstrich. Abgeschmiert wird der Kran alle sechs Monate. Dann klettert Maschinist Proes mit der Fettpresse bis in die oberste Spitze.
Neben all diesen Fristarbeiten steht auch regelmäßig eine Reklassifizierung an. "Klasse machen" nennt man diese Inspektion, die HHLA IV schon im Dezember 2022 erfolgreich bestanden hat. Die Crew nimmt das als gutes Zeichen dafür, dass auch die jüngere Schwester alle laufenden Arbeiten erfolgreich und mit neuen Zertifikaten abschließen wird.
Text und Fotos: Peter Thomas
Veröffentlicht im Dezember 2023