Spurwechsel auf der Seidenstraße

Neue Schienenwege führen von Europa über Kaukasus und Kaspisches Meer bis nach China. Auch die HHLA ist dabei, wenn wichtige Weichen gestellt werden.

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Am Fähr­terminal in Aktau am Ostufer vom Kaspischen Meer geht es geschäftig zu. Im Schiffs­bauch befinden sich Eisen­bahn­wagen, an Land warten türkische Lkw darauf, an Bord zu dürfen. Während die Patina der Sowjetunion immer noch über dem Hafen Aktau liegt, entwickelt sich das Kaspische Meer gerade zu einem Drehkreuz im eurasischen Handels­verkehr. Der Transport­markt sucht sich wegen geo­politischer Spannungen mit Russland neue Wege entlang der Seiden­straße von Europa über den Kaukasus bis zur chinesischen Grenze. Auch die HHLA ist dabei, wenn die Weichen für ein wachsendes Geschäft gestellt werden.

Die „Eiserne Seidenstraße“ hat sich zur Alternative zum Seeweg zwischen China und Europa entwickelt, seitdem der chinesische Staats­präsident Xi Jinping vor zehn Jahren die „Belt and Road Initiative“ (BRI) startete. Als schnellste Variante zu akzeptablen Kosten erwies sich der Nordk­orridor durch Russland. Entlang der Transsibirischen Eisen­bahn oder weiter südlich via Moskau und Kasachstan wurden in Spitzen­zeiten jährlich bis zu 1,5 Millionen Standard­container (TEU) transportiert. Die HHLA-Tochter Metrans hat sich auf dem Nord­korridor Anfang Januar 2022 durch Übernahme von CL Europort mit einem Logistikzentrum im polnischen Malaszewicze positioniert. Gleichzeitig wurde eine strategische Partner­schaft mit dem Eisen­bahn­verkehrs­unternehmen Eurotrans, das die Nordroute bedient, vereinbart.

Über das Logistikzentrum von Metrans im polnischen Malaszewicze laufen viele der Transporte auf dem Nordkorridor der Seidenstraße. Foto: CL Europort

Der Mittelkorridor rückt in den Fokus

Seit dem russischen Angriffs­krieg in der Ukraine geht es am Drehkreuz Malaszewicze weniger hektisch zu. „Im ersten Quartal 2023 waren auf der Nord­route circa 80 Prozent der Züge aus China zu Destinationen in Russland unterwegs, nur 20 Prozent fuhren weiter Richtung Europa“, berichtet Martin Koubek, Direktor Seiden­straße & GUS-Staaten bei Metrans. Zwar ist der Schienentransitverkehr durch das 11. Sanktions­paket der EU gegen Russland vom Juni 2023 nicht betroffen. Doch der Mittelkorridor, „Central Trans-Caspian Network“ (CTCN) genannt, rückt weiter in den Fokus.

 

Wenn zwischen Europa und China die Transit­zeit über Russland etwa 14 Tage beträgt, müssen wir eine vergleichbare Lösung finden.

Martin Koubek, Direktor Seiden­straße bei Metrans

Aus Europa verläuft eine Süd-Trasse des CTCN auf dem Landweg durch die Türkei via Kars. Dort wurde Ende Oktober 2017 eine Bahn­linie über Armenien und Georgien bis zum aser­bai­dschanischen Hafen Baku am Kaspischen Meer in Betrieb genommen. Alternativ gibt es eine Verbindung vom rumänischen Hafen Constanța über das Schwarze Meer zum georgischen Hafen Poti und weiter auf der Schiene nach Baku. Koubek betrachtet diese Alternativen aus der Perspektive des Kunden: „Wenn der Schienen­güter­verkehr zwischen Europa und China über Russland eine Transit­zeit von etwa 14 Tagen hat, müssen wir eine vergleichbare Lösung finden.“

Stark schwankende Vorhersagen

Frank Busse, Partner bei der HHLA-Tochter HPC Hamburg Port Consulting, betreut seit Jahren Projekte in der Region. Er nennt die Infra­struktur auf der gesamten Strecke „limitiert“. Das Verkehrs­aufkommen auf dem Mittel­korridor beziffert er aktuell mit etwa 80.000 TEU. Verschiedene Studien prognostizieren bis zum Jahr 2040 ein jährliches Transport­potential zwischen 130.000 und 850.000 TEU.

Dafür soll die Kapazität in den kasachischen Häfen Aktau und Kuryk auf bis zu 120.000 TEU ausgebaut werden. Derzeit werden in Aktau nur etwa 30.000 TEU pro Jahr umgeschlagen. Aserbaidschans West­häfen am Kaspischen Meer in Baku und Aljat seien zwar „besser aufgestellt“, aber die Bahn­verbindung zwischen Baku und Poti „nicht darauf ausgelegt, Hundert­tausende von zusätzlichen Containern zu fahren“, skizziert Busse. Deshalb werde die Infra­struktur am Kaspischen Meer Richtung Westen verstärkt ausgebaut. Hafen­erweiterungen seien auch in Turkmenbashi (Turkmenistan) und Baku geplant.

Transportvolumen

Mittelkorridor

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HPC berät viele Partner in der Region

HPC engagiert sich unter anderem in der kasachischen Logistik­hoch­burg Almaty: „Wir beraten dort die private ALG Company, wie ihr Eisenbahnterminal zukunfts­fähig ausgebaut werden könnte“, sagt Busse. Die Kapazität soll bis 2035 von derzeit jährlich 15.000 auf dann 50.000 Container steigen. Dafür braucht ALG dringend neues Equipment wie Kräne und Reach-Stacker, die Schienen­infra­struktur muss in Teilen neugestaltet werden (siehe auch diese Pressemitteilung dazu).

Zuvor wurde HPC schon ausgewählt, um umfassende IT-Management-Dienst­leistungen zur Einrichtung eines National Maritime Single Window (NMSW) in Georgien zu erbringen. Die Einführung einer solchen Plattform wird die Transparenz der behördlichen Prozesse im internationalen See­verkehr erhöhen und die behörden­übergreifende Zusammen­arbeit fördern. Georgien kann sich damit besser als wichtiges Drehkreuz des Mittleren Korridors und Tor zu Europa positionieren. Der digitalisierte Daten­austausch zwischen allen Akteuren in der Region funktioniert aber noch nicht.

Frank Busse von HPC kennt die Vor- und Nachteile jeder Transportroute in Zentralasien.
Der ALG-Terminal in Almaty ist wichtig für den Umschlag einer breiten Palette von Gütern.
Bahnverladung im Hafen von Poti / Georgien

„Global Gateway“ als Alternative zur BRI

Auch die Vermarktung des CTCN hinkt der chinesischen BRI-Marketing­strategie hinterher. Jetzt will Brüssel mit seinem „Global Gateway“ aufholen. Es ist gedacht als „Angebot Europas, die Welt mit Investitionen und Partner­schaften zu verbinden“. Deshalb hat die Europäische Bank für Wieder­aufbau und Entwicklung (EBRD) bis Juni für die Europäische Kommission bestehende und mögliche Transport­korridore in Zentral­asien untersucht. Die Studie schlägt Maßnahmen und Infra­struktur­investitionen vor, um auf dem CTCN ein maximales Volumen von 865.000 TEU bei einer Transit­zeit von 13 Tagen zwischen der EU und asiatischen Hubs zu erreichen.

Dafür müsste in Kasachstan beispielsweise die rund 290 Kilometer lange Strecke Almaty–Khorgos zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert werden. In Aktau und Kuryk soll die Hafen­kapazität verbessert werden. Die EBRD-Studie geht davon aus, dass der Container­verkehr auf dem Kaspischen Meer zwischen Aktau und Baku von 18.000 TEU in 2022 auf 130.000 TEU in 2040 ansteigen wird.

Dazu wollen neben der HHLA auch andere deutsche Unter­nehmen beitragen, zum Beispiel Rhenus Logistics. Beispielsweise ist ein Container-Hub im Hafen Aktau geplant, mehr Transit­fracht soll auf die transkaspische Route verlagert werden. Auch Metrans will die gute Zusammenarbeit mit der kasachischen Staatsbahn intensivieren.

Bedeutung der georgischen Schwarzmeerhäfen wächst

Das bemerkt Korneli Korchilava, Geschäfts­führer von HHLA Project Logistics mit Sitz in Poti, schon jetzt: „Das Volumen auf den Routen zwischen den georgischen Schwarz­meer­häfen und den zentral­asiatischen Ländern nimmt zu.“ Seit Anfang 2023 verzeichnet er einen Anstieg von mehr als 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die HHLA-Tochter hat außer in Tbilisi und Baku seit Ende Februar auch eine Nieder­lassung in Almaty.

Korneli Korchilava, Geschäfts­führer von HHLA Project Logistics

„Das Volumen auf den Routen zwischen den georgischen Schwarz­meer­häfen und den zentral­asiatischen Ländern nimmt zu.“

Korneli Korchilava, Geschäfts­führer von HHLA Project Logistics

Bei Groß­aufträgen zwischen Baku und Zielen in Kasachstan kann HHLA Project Logistics Projekt­ladung von der Straße auf die perspektivisch umwelt­freundlichere Schiene verlagern. Einmal wurden rund 5.000 Tonnen Rohre in Baku verladen, querten das Kaspische Meer zwischen Alyat und Aktau. Ein anderes Mal wurde ab dem Hafen Aktau ein Container­ganz­zug über Khorgos nach China organisiert. Im Hafen Poti werden Container vom Schiff auf einen Container­ganz­zug mit Traktion der Aser­bai­dschanischen Eisen­bahn ADY nach Baku verladen. Das ist ein guter Start, doch derzeit ist der Lkw oft einfach wettbewerbs­fähiger.

HHLA Project Logistics versucht, Ladung von der Straße auf das Schienennetz im Kaukasus zu verlagern, hier im Hafen von Poti.

„Die meist privaten Straßen­transporteure sind flexibler und mobiler“, sagt Korchilava. Deshalb seien jetzt vereinte Anstrengungen notwendig, um Engpässe auf der Schiene zu beseitigen. Als Schritt in die richtige Richtung wertet er die Gründung eines gemeinsamen Logistik­unternehmens, das die Premier­minister von Kasachstan und Aserbaidschan im Juni vereinbarten. Das Abkommen soll die Tarife und das Fracht-Handling auf dem CTCN vereinheitlichen, Transit­zeiten künftig auf 10 bis 15 Tage verkürzen.

Ausbau der Schiene ist in Planung

Geplant sind nach einem Bericht der „Astana Times“ unter anderem der zwei­gleisige Schienen­ausbau zwischen Dostyk an der chinesischen Grenze westwärts bis Moyinty, ein Container­hub im Hafen Aktau und eine Umgehungs­strecke für den Bahnhof Almaty. „Behörden auf lokaler Ebene wie Zoll, Häfen und Eisen­bahn­gesellschaften müssen aktiv in diesen Prozess einbezogen werden“, fordert Korchilava.

Unterdessen konzentriert sich HHLA Project Logistics darauf, ein regelmäßiges Ganz­zug­system einzurichten: „Wir verhandeln mit den relevanten Akteuren in den Staaten des Mittel­korridors neue Verträge“, sagt Korchilava. Sein Team erhalte seit einigen Monaten immer mehr Anfragen aus EU-Ländern für Projekt­ladung nach Kasachstan und Usbekistan. „Diese Entwicklung ermutigt uns, unser Netzwerk in Kasachstan weiter auszubauen“, sagt er.

Den Netz­werk­ausbau treibt HHLA International voran. Geschäfts­führer Philip Sweens zufolge ist die Präsenz in Aserbaidschan und Kasachstan „sehr wichtig, um vor Ort Know-how verfügbar zu haben, bei lokalen Entscheidungs­trägern präsent zu sein und eine gute Liefer­qualität sicher­zu­stellen“.

Während es am wichtigen Knotenpunkt in Baku wegen der Erdölindustrie schon lange eine Repräsentanz gibt, habe HHLA Project Logistics mit neuen Büros in Astana und Almaty jetzt einen „großen Schritt“ gemacht. Das Geschäft im welt­größten Binnen­land wachse schnell, die Region sei im Umbruch, Supply Chains würden „neu sortiert“. Perspektivisch biete sich Kasachstan als Sprung­brett nach Usbekistan und andere Stan-Staaten an, „um zu schauen, ob wir in Zukunft auch dort eine verstärkte Präsenz haben sollten“. Dann würde es am und auf dem Kaspischen Meer noch viel betriebsamer zugehen.

Verladung von Containern für Short-Sea-Verkehre im Kaspischen Meer.
Im Hafen von Aktau (Kasachstan) wird Ladung Richtung Baku (Aserbaidschan) verschifft.

Autorin: Kerstin Kloss

Veröffentlicht am 18.10.2023

Ansprechpartner

Frank Busse

Partner

Vice President Europe

Tel. +49 40 74008-108

Korneli Korchilava

Geschäftsführung

Tel. +995 493 221085

Mobil +995 599 539398

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