Unterwegs zwischen vier Meeren

Angefangen hat die Metrans mit zwei Zügen pro Woche zwischen Hamburg und Prag. Heute fährt sie wöchentlich rund 650 Verbindungen, die sehr häufig über Ländergrenzen führen - und damit zu einigen Herausforderungen.

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Uhrineves liegt am südöstlichen Rand von Prag. Bevor die Hauptstadt es schluckte, war es ein kleines böhmisches Städtchen mit Kirche und Bahnhof. Von dort aus machte sich im Februar 1992 der erste mit Containern beladene Güterzug in Richtung der Hafenstadt Hamburg auf. Organisiert hatte ihn die Metrans, ein frisch gegründetes Unternehmen mit großer Vision.

Die Idee eines regelmäßigen Container-Shuttles kam von Jiri Samek. Der früh verstorbene Metrans-Gründer zündete noch viele weitere Ideen, die hoch motivierte Mitarbeiter in sein dynamisches Unternehmen zogen. Als Erstes wollte die Metrans die damalige Tschechoslowakei an den Seehafen Hamburg anbinden. Das Land verfügte als Binnenland über keinen eigenen Zugang zur See, aber eine traditionsreiche Handelsroute führte nach Hamburg, mit Binnenschiffen über Moldau und Elbe.

Erstmals Shuttle-Züge zwischen Hamburg und Prag

Als der Eiserne Vorhang fiel, importierten die ehemals sozialistischen Länder viele neue Konsum- und Investitionsgüter. Diese Transporte mussten zum größten Teil über schlecht ausgebaute, überlastete Straßen abgewickelt werden. An den Grenzen warteten die Lkw manchmal ein oder zwei Tage, bis der Zoll sie abgefertigt hatte. Bahntransporte waren nur schwer kalkulierbar und keine Alternative.

Zumindest, bis die Metrans begann, die Schiene für Containerzüge zu nutzen. Ihre Verbindungen glänzten mit Zuverlässigkeit, kurzen Transitzeiten und hohen Kapazitäten. Die Shuttle-Transporte fuhren immer häufiger. Sie erledigten bald große Teile des Im- und Exports für Tschechien, das sich Ende 1992 friedlich von seinem heutigen Nachbarn Slowakei trennte.

Mit neuen Visionen und Services

Drei Jahrzehnte später arbeitet in Uhrineves ein riesiges Containerterminal der HHLA-Bahngesellschaft Metrans, eine der zentralen Drehscheiben im Netzwerk von 20 europäischen Binnenterminals. Bis zu zehn Züge gleichzeitig können die sechs Bahnkräne und 13 Reach­stacker bearbeiten. Im nachhaltig modernisierten Bürogebäude disponieren rund 500 Mitarbeiter die Container und versuchen, möglichst unbürokratisch jeden Kundenwunsch zu erfüllen.

Ganz im Sinne von Jiri Samek, wie sein Nachfolger und Vorstandsvorsitzender Peter Kiss erklärt: „Unsere Vision ist die einer umfassenden Servicelösung, einer neutralen Lösung. Damit wollen wir unseren Kunden in ganz verschiedenen Situationen helfen. Aber falls er das wünscht, dann suchen wir auch nach sehr spezifischen Lösungen.“

Kiss kam 1999 ins Unternehmen, weil Sameks Ideen für die Bahnlogistik ihn begeisterten. Im gleichen Jahr wurde der intermodale Verkehr in der Slowakei neu gestartet, in einem weiteren Schritt dann Ungarn erschlossen. Es folgten viele weitere Terminals, die selbst gebaut, gekauft oder angemietet wurden.

Drehscheibe Budapest: Auch in Ungarn ist Metrans einer der wichtigsten Bahnlogistiker.
Für die letzte Meile setzt Metrans in einem Pilotprojekt batteriebetriebene E-Trucks ein.

Netzwerk zwischen vier Meeren aufgebaut

Das dynamische Wachstum war auch dem Einstieg der HHLA Mitte der 1990er-Jahre zu verdanken. So erreichten die Investitionssummen rasch neue Dimensionen, das produktive Grund­prinzip der Metrans blieb jedoch gleich. Container werden mit den häufig fahrenden Shuttle-Verbindungen schnell aus den Häfen abtransportiert. Im Hinterland werden sie dann in den Hub-Terminals sortiert, mit anschließenden „Antennen­zügen“ und Lkw für die letzte Meile zu den Empfängern gebracht.

Zwischen Nordsee und Adria, Baltikum und Bosporus erstreckt sich mittlerweile ein engmaschiges Netz von Bahn­verbindungen der Metrans. Sie ist einer der führenden privaten Bahn­operateure Europas, die meisten der Container­züge überschreiten eine oder mehrere Grenzen. Daraus ergeben sich allerdings ebenso zahlreiche Heraus­forderungen.

Zentraler Hub: Im slowakischen Dunajska Streda werden Tag und Nacht Bahncontainer umgeschlagen.

Welche Schwierigkeiten sind das genau? Und wie geht Metrans im Alltag damit um? Auf den ersten Blick könnte doch alles ganz einfach sein: Der Ganzzug mit 100 TEU Kapazität steht fertig beladen im Terminal – eine lange, bunte Schlange aus modernen Tragwagen mit Containern. Vorn ist bereits die leistungs­starke Elektrolokomotive angekuppelt, die sogenannte Bremsprobe des Wagenverbands ist erledigt.

Containerzüge der Metrans trifft man auf vielen europäischen Strecken.

Jetzt kann die Reise losgehen: Quer durch Europa, von Rotterdam ganz im Westen bis nach Malszewicze weit im Osten, oder von den nördlichen Seehäfen Bremerhaven, Hamburg und Danzig bis Prag, Budapest und Krems – oder weiter nach Triest und Istanbul. An diesen und an noch viel mehr Orten finden sich die Hubs, Inland- und Hafenterminals der Metrans, der HHLA und ihrer Partner. Dazwischen spannt sich ein leistungsfähiges Netz von Verbindungen für den Schienengüterverkehr.

Die Multisystemlokomotiven können die Grenzen zahlreicher Länder überqueren, und die Lokführer sprechen meist mehrere Sprachen.

Tücken in den technischen Details der Systeme

Doch der Betriebsalltag ist nicht so geradlinig, wie es die Netzkarte der Metrans verspricht. Zumindest die Gleise sollten kein Hindernis sein, oder? Immerhin ziehen sich die standardisierten Schienenstränge mit 1.435 Millimeter Spurweite durch die meisten Länder. Nur leider nicht bis nach Tallinn und Odessa, wo die russische Breitspur verlegt wurde und die HHLA ebenfalls Hafenterminals betreibt. Doch davon abgesehen, steckt die Tücke noch in anderen Details.

Martin Horinek, COO Metrans Group

„Auf die verschiedenen europäischen Stromsysteme für die Loks und unterschiedliche Systeme der Leit- und Sicherungstechnik haben wir uns eingestellt.“

Martin Horinek, COO Metrans Group

Diese Unterschiede der Energietechnik sind historisch gewachsen. Je nach Land gibt es entweder Wechselstrom mit 15 kV Spannung und 16,7 Hertz Frequenz (so wie in Deutschland) oder 25 kV/50 Hz sowie Gleichstromsysteme mit 1.500 und 3.000 Volt. Die Folge: Bis heute wechseln viele Eisenbahnverkehrsunternehmen an EU-Binnengrenzen ihre Lokomotiven, weil diese nur für das Bahnstromsystem eines Landes geeignet sind.

Das hält den Betrieb auf, sorgt für Staus im hoch belasteten Netz. Auch Grenzübergänge zwischen Deutschland und Tschechien sind davon betroffen. Dabei könnten lang laufende Güterzüge heute längst problemlos die organisatorischen Möglichkeiten des Schengen-Raums nutzen, in dem Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedsländern wegfallen. Lesen Sie dazu auch das folgende Interview:

„Wir brauchen europäisches Denken für den Schienenverkehr!“

Josef Doppelbauer, Direktor der EU Eisenbahn-Agentur (ERA), im HHLA Talk über langfristige Ziele und aktuelle Hindernisse.

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Die Metrans macht vor, wie das technisch gelingt. „Unsere Multisystemlokomotiven von Bombardier und Siemens sind für die Energieversorgung sowie Leit- und Sicherungssysteme zahlreicher Länder ausgerüstet“, sagt Martin Horinek zufrieden. Als Chief Operating Officer der Metrans Group ist er verantwortliches Vorstandsmitglied für den Betrieb und bei Metrans Rail Geschäftsführer für Güterverkehr.

Eigene Lokomotiven und speziell entwickelte Waggons

Als Standard sind alle 80 Streckenloks für Deutschland, Österreich, Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn ausgestattet. 13 weitere Fahrzeuge können auch in den Niederlanden fahren, weitere 15 Loks zusätzlich in Slowenien sowie in Rumänien. „Solche Alleskönner sind teurer als einfach ausgestattete Loks. Aber für die Metrans lohnt sich die Investition, weil wir so schnelle und verlässliche Verbindungen über mehrere Länder hinweg fahren können“, erklärt Horinek.

Neben den eigenen Lokomotiven setzt die Metrans auch eine eigene Flotte von rund 4.000 speziell für den Containertransport entwickelten Waggons ein. Sie wächst jährlich um 200 neue Fahrzeuge – leicht und effizient, europaweit zugelassen und dank der sogenannten Flüsterbremse auch leise.

Metrans hat besonders leichte Waggons speziell für den Containertransport entwickelt

Auch wenn Zoll- und Technikgrenzen wegfallen, gibt es für die Stärkung der europäischen Güterbahnen noch genug Hürden. Das beginnt bei der Kapazität des Schienennetzes. Von den blockierten Gleisen in den Umspannbahnhöfen war schon die Rede. Dazu kommen unterschiedliche Sicherheitsvorschriften. Immerhin: Ein greifbarer Meilenstein für effizientere und flüssigere Güterverkehre ist die laufende, flächen­deckende Einführung der einheitlichen Leit- und Sicherungstechnik European Train Control System (ETCS).

Das Schienennetzwerk der METRANS erstreckt sich zwischen den vier europäischen Meeren.

Fehlende oder zu kurze Überhol- und Ausweichgleise auf der Strecke sind eine weitere Herausforderung. Eigentlich wären 720 Meter lange Containerzüge Ziel für den Güterverkehr in der EU, um die Effizienz der Güterbahn voll auszunutzen. Das aber gibt die Infrastruktur nur selten her. Auf der Metrans-Stammstrecke von Hamburg nach Prag dürfen mit Ausnahmegenehmigung 680 Meter lange Züge (statt 650 Meter) fahren. Jeder davon ersetzt im Durchschnitt 60 Lastwagen auf der Autobahn. Zwischen Hamburg und München sind sogar 700 Meter lange Züge möglich. Doch um das Ziel der 720-Meter-Züge in der Fläche zu erreichen, wäre der Ausbau des Netzes nötig – ein zäher Prozess, der sich über viele Jahre erstreckt.

Horineks Erfahrungen aus dem Alltag zeigen: Im europäischen Eisenbahngüterverkehr gibt es viel Potenzial für Verbesserungen. Allein die Metrans könnte zum Beispiel jährlich zwischen Prag und den norddeutschen Häfen nicht wie bisher etwa 72.000 Lastwagenfahrten durch die umweltfreundliche Bahn ersetzen, sondern noch deutlich mehr!

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Aktualisiert am 18.9.2024

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