Think inside the box

Als Vertriebschef der HHLA-Tochter HCCR muss Toni Jakat Wege finden, um Leercontainer schnellstmöglich wieder in Umlauf zu bringen. Die Lösungen dafür sucht er wortwörtlich „inside the box“.

Als Toni Jakat im Jahr 2013 zur Hamburger Container- und Chassis-Reparatur-Gesellschaft (HCCR) kam, musste er sich um 180 Grad drehen. „Bis dahin hatte ich Leercontainerservices als Kunde von HCCR eingekauft; nun war ich selbst zum Dienstleister geworden.“ Die Vorgänge von beiden Seiten zu kennen, das stachelte Jakats größte berufliche Leidenschaft an: Prozesse optimieren.

Jakat ist Vertriebsleiter der HHLA-Tochter HCCR. Das Serviceunternehmen prüft die meisten der im Hamburger Hafen gelagerten Leercontainer, um sie bei Bedarf fachgerecht zu reinigen oder zu reparieren. Erst danach dürfen sie gemäß internationaler Standards (CSC / UCIRC) wieder an Bord eines Containerschiffes.

Inspektoren, die im Hafenjargon „Checker“ heißen, nehmen jeden einzelnen von jährlich Tausenden Containern von innen und außen in Augenschein: Ragen spitze Nägel aus der Bodenplatte? Haben die Wände Rostlöcher oder Beulen? Ist die geforderte Stabilität noch gewährleistet?

Diese Prüfung kostet Zeit und damit Geld. Außerdem ist eine Stahlbox, die lange ungenutzt herumsteht, angesichts des weltweit herrschenden Mangels an Containern undenkbar. Daher muss jeder Leercontainer so schnell wie möglich wieder zurück in den Kreislauf. Doch was Jakat anfangs erlebte, war nicht unbedingt optimal: „Die Checker auf dem Hof standen oft mit Papier und Stift im Hamburger Regen und am Ende der Schicht hingen ihre mit Schadensmeldungen ausgefüllten Formulare zum Trocknen auf einer Wäscheleine im Sozialraum.“

Andere Mitarbeiter hatten die undankbare Aufgabe, die handschriftlichen, verwaschenen Notizen zu entziffern und in ein Datenbanksystem zu übertragen, um Kostenvoranschläge für die Reparaturen erstellen zu können. Aus diesem überholten Ansatz hat Vertriebsleiter Jakat mit seinem Team seit 2013 schrittweise etwas ganz Anderes gemacht: einen volldigitalisierten, mittels Codes standardisierten und cloudbasierten Untersuchungsablauf, der pro Tag mehrere hundert Checks ermöglicht.

Heute werden die Schadensberichte – komplett mit Digitalfotos und Schadenscodes – papierlos mit einer Art Handy aufgenommen und sofort an eine Datenbank gesendet, die dann den Kostenvoranschlag automatisch erstellt. Durch die so geschaffene Transparenz sank die Zahl der Fälle, in denen ein Kunde die Kostenkalkulation anzweifelte und ein eigenes Schadensgutachten erstellen ließ, auf ein Minimalmaß. „Immer wenn der Gutachter kam, mussten wir den zu prüfenden Leercontainer aus einem gemischten Stapel herausholen und dafür viele Boxen umstapeln. Das ist ein enormer Logistik-Aufwand, der uns jetzt weitgehend erspart bleibt“, erklärt Jakat einen weiteren großen Nutzen des Systems.

Doch der Mann mit dem schwarzen Vollbart ist noch nicht am Ziel seiner Wünsche. Um die Leercontainer noch schneller mit Prüfzertifikat vom Hof zu bekommen, treibt Jakat das von ihm initiierte Projekt COOKIE voran. COOKIE steht für „COntainerdienstleistungen Optimiert durch Künstliche IntelligEnz“ (KI). Das Fraunhofer Center für Maritime Logistik in Hamburg-Harburg entwickelt dazu als Projektpartner einen lernfähigen Algorithmus, mit dessen Hilfe ein intelligentes Bilderkennungsverfahren den Funktionsstatus eines gerade angelieferten Containers erkennen und bewerten soll.

Als „Lern-Grundlage“ für die KI dienen Tausende gespeicherter Schadens-Fotos, die das System mit automatisch aufgenommenen Live-Bildern neu angelieferter Leercontainer abgleichen soll. Es geht darum, die nicht beschädigten Leercontainer zu erkennen und auszusortieren, sodass die Checker sich ganz auf die reparaturbedürftigen Boxen konzentrieren können.

„COOKIE könnte uns auch bei unserer Waschanlage für leere Tankcontainer helfen“, sagt  Jakat. Dort werden derzeit noch große Mengen Wasser, Dampf und chemische Additive für die Reinigung schwer verschmutzter Tanks eingesetzt. Wenn die KI nun anhand von waschrelevanten Parametern erkennen könnte, wie der Zustand eines Tankcontainers ist, ließe sich das Waschprogramm automatisch individuell anpassen. Viel Wasser und Chemikalien könnten so eingespart werden.

Die Herausforderungen einer intelligenten Digitalisierung des Hafens machen dem in Dresden geborenen Jakat sichtlich Freude. Der Vater eines vierjährigen Sohnes lebt mit seiner Familie in einer kleineren Wohnung ohne Dachboden oder Keller. „Wir sind glücklich auf kleinem Raum – das hilft uns dabei auf alles Überflüssige und Unnütze zu verzichten“, erklärt er. „Und genauso empfinde ich auch im Job: Abläufe müssen so ineinandergreifen, dass möglichst mit einem Minimum an Einsatz ein Maximum an Output erzielt wird.“

Jakats Management-Philosophie unterscheidet sich in einem Punkt deutlich von den üblichen Denkweisen: „Heute soll in Unternehmen immer ‚outside the box‘ gedacht werden, was ‚über den Tellerrand hinaus‘ bedeutet“, sagt er. „Aber als Container-Reparaturdienstleister finden wir unsere Lösungen wortwörtlich ‚inside the box‘.“